Innovation im Einsatz – Digitale Lösungen im RehAllianCE Regional Living Lab Baden-Württemberg
Im Regional Living Lab Baden-Württemberg testete die BioRegio STERN im Rahmen des europäischen Projekts RehAllianCE den Einsatz einer neuartigen, digitalen Lösung für die Rehabilitation: das sensorbasierte, gamifizierte Beckenbodentrainingssystem Apelvo. Ziel war es, unter realen Bedingungen mit den Anwendern zu prüfen, wie Online-Technologien den Zugang zu effektiven Trainingsangeboten verbessern und Versorgungslücken schließen können – insbesondere bei einer der am weitesten verbreiteten, aber stark stigmatisierten Gesundheitsherausforderungen: Inkontinenz. Die Ergebnisse liefern nicht nur wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung von Apelvo, sondern auch wichtige Erkenntnisse für die künftige Integration digitaler Rehatechnologien in das europäische Gesundheitswesen.
Im Rahmen des Interreg Central Europe Projekts RehAllianCE werden in fünf europäischen Regionen unterschiedliche Rehabilitationstechnologien in sogenannten Regional Living Labs getestet. Jede Region konzentriert sich dabei auf einen eigenen Schwerpunkt, inspiriert von erfolgreichen Ansätzen aus den Partnerländern, die zuvor im Best-Practice-Katalog des Projekts identifiziert wurden.
In der BioRegion STERN lag der Fokus auf Online-Lösungen. Aus diesem Grund wurde das sensorbasierte, gamifizierte Beckenbodentrainingssystem Apelvo erprobt, eine Technologie, die eine der häufigsten und gleichzeitig am stärksten stigmatisierten Gesundheitsherausforderungen adressiert: Inkontinenz.
Rund 55–60 Millionen Menschen in Europa sind von Inkontinenz betroffen, in Deutschland allein 6–8 Millionen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer: Laut dem Bericht Gesundheit in Deutschland 2015 des Robert Koch-Instituts leiden 15 % der Frauen an Harninkontinenzbeschwerden, während es bei Männern 9,5 % sind. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter deutlich zu, während Behandlungsangebote oft unzureichend, regional unterschiedlich und nicht immer leicht zugänglich sind.
Vor diesem Hintergrund sollte das Regional Living Lab prüfen, wie eine flexible, ortsunabhängige Online-Lösung Betroffenen helfen kann, regelmäßig, motiviert zu trainieren und so Versorgungslücken zu schließen.
Apelvo in der Vorstellung für die Fokusgruppe.
/ Copyright: USE-Ing. GmbHDie Technologie Apelvo – entwickelt von Fysor GmbH
Die Fysor GmbH aus Weil im Schönbuch hat mit Apelvo ein Trainingssystem entwickelt, das mittels externer Sensoren die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur erfasst. Die Daten steuern Spiele auf dem Smartphone oder Tablet, wodurch das Training ortsunabhängig, diskret und motivierend wird.
Apelvo ist für Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen geeignet, nicht-invasiv in der Anwendung und so konzipiert, dass es nahtlos in den Alltag integriert werden kann. Ziel ist es, Patienten zu befähigen, nach einer Einführung durch Physiotherapeuten, Hebammen oder Ärzte eigenständig weiter zu trainieren, ohne auf professionelle Unterstützung verzichten zu müssen.
Für Fysor war der Pilot eine Gelegenheit, gezielt professionell abgeleitetes Nutzerfeedback zu sammeln, um den Trainingserfolg langfristig zu maximieren und das System so weiterzuentwickeln, dass es noch mehr Menschen erreicht.
Einblicke in die Tätigkeiten der USE-Ing. GmbH.
/ Copyright: USE-Ing. GmbHExpertise von USE-Ing. GmbH
Die USE-Ing. GmbH ist eine der führenden europäischen Agenturen für Usability Engineering im MedTech-Bereich. Das Unternehmen unterstützte den Piloten mit der Moderation und Auswertung einer Fokusgruppe, um konkrete Erkenntnisse zu Benutzerfreundlichkeit, Akzeptanz und möglichen Barrieren zu gewinnen. Ziel war es, den Wert einer frühzeitigen, strukturierten Nutzerbeteiligung im Entwicklungsprozess zu demonstrieren und praxisnahe Methoden in Innovationsprozesse der Rehabilitation einzubringen.
Ablauf des Regional Living Labs
Im Juli 2025 wurde das Apelvo-System in Stuttgart im Rahmen einer praxisnahen Erprobung mit einer Gruppe von Endnutzern unterschiedlichen Geschlechts im Alter zwischen 34 und 64 Jahren getestet. Nach einer kurzen Einführung durch Fysor konnten die Teilnehmenden die Sensoranbringung, Kalibrierung und verschiedene integrierte Trainingsspiele selbst ausprobieren. Im Anschluss wurden ihre Erfahrungen und Anregungen in einer moderierten Gesprächsrunde gesammelt.
Digitale Beckenboden-Trainingssystem "Apelvo".
/ Copyright: Fysor GmbHErgebnisse & Erkenntnisse
Das Regional Living Lab in der BioRegion STERN bot wertvolle Einblicke in die Stärken und Herausforderungen digitaler Rehabilitationstechnologien am Beispiel von Apelvo. Unter realen Bedingungen konnten nicht nur die Handhabung und das Nutzererlebnis, sondern auch das Potenzial für den breiteren Einsatz solcher Online-Lösungen untersucht werden. Für die Fysor GmbH als teilnehmenden Technologieanbieter lag der Schwerpunkt darauf, aus fundiertem Nutzerfeedback klare Entwicklungsimpulse zu gewinnen, um Apelvo gezielt zu optimieren und den Trainingserfolg langfristig zu sichern. Apelvo soll in Zeiten von Fachkräftemangel und Unterversorgung zeigen, wie Trainingsangebote neu gedacht werden können: flexibel und jederzeit verfügbar.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass digitale Rehabilitationstools wie Apelvo in zentralen Punkten überzeugen: Die Teilnehmenden empfanden die Bedienung als intuitiv, das Biofeedback als motivierend und schätzten besonders die Möglichkeit, ortsunabhängig zu trainieren, sei es zu Hause, unterwegs oder in einer Einrichtung. Eine neutralere, inklusiv gestaltete Benutzeroberfläche sowie gezielte Unterstützung für ältere oder weniger digital affine Nutzergruppen könnten die Akzeptanz zusätzlich erhöhen.
Auch die USE-Ing. GmbH, die als Serviceanbieter die Fokusgruppe moderierte und auswertete, sieht in den gewonnenen Rückmeldungen einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung digitaler Rehatechnologien. Die Erprobung bestätigte den hohen Nutzen einer frühzeitigen Einbindung von Endnutzern in Entwicklungsprozesse, um gezielt Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und alltagstaugliche Lösungen zu gestalten. Die Erkenntnisse aus der Fokusgruppe und ihr Beitrag zur Entwicklung innovativer Rehatechnologien fließen damit kontinuierlich in das RehAllianCE-Projekt ein und enden nicht mit dem Abschluss des Piloten.
Ausblick
Das Regional Living Lab in Baden-Württemberg verdeutlicht einmal mehr die Innovationskraft der BioRegio STERN, die mit ihrer Offenheit für neuartige, digitale Lösungen in der Rehabilitation einen wichtigen Beitrag zu zukunftsfähigen Versorgungsansätzen leistet. Die gewonnenen Erkenntnisse aus dieser Pilotstudie werden gemeinsam mit den Ergebnissen der weiteren Regional Living Labs in den Partnerländern ausgewertet.
Diese gebündelten Erfahrungen fließen in den Smart-Rehab-INDEX ein, ein im Rahmen von RehAllianCE entwickeltes europaweites Benchmarking-Tool für Rehabilitationssysteme. Der Index soll es ermöglichen, Stärken und Schwachstellen bestehender Versorgungssysteme zu identifizieren, den Fortschritt bei der Einführung innovativer Technologien messbar zu machen und gezielte Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Auf diese Weise trägt das Projekt dazu bei, digitale und inklusionsorientierte Lösungen langfristig in den Versorgungsalltag zu integrieren und die Rehabilitation in Europa effizienter und zukunftssicher zu gestalten.
Weitere Informationen
RehAllianCE Regional Living Labs im Überblick
RehAllianCE startet in fünf Ländern mit der Umsetzung der Regional Living Labs, gefördert durch das Interreg CENTRAL EUROPE Programm. Jede Region bearbeitet dabei eine spezifische Herausforderung im Bereich der Rehabilitation, basierend auf erprobten Best-Practice-Lösungen aus dem RehAllianCE-Partnernetzwerk.
- Polen — GAPR
Zugang zu robotergestützter Rehabilitation: Kombination aus Robotik, Reha-Gutscheinen und datenbasiertem Monitoring, eingebettet in die lokale Gesundheitspolitik. - Ungarn — PBN
Physiotherapie kombiniert mit ergänzenden Technologien: Magnetfeld-, Softlaser- und Stoßwellentherapie für ältere Patienten mit Gelenksdegeneration. - Österreich — CUAS
IKT-gestützte Heimrehabilitation: Wearables, Telemedizin, virtuelle Konsultationen und Online-Training für eine geführte Rehabilitation zu Hause. - Deutschland — BioRegio STERN
Genderinklusives Beckenbodentraining: Sensorbasiertes, gamifiziertes Training für Frauen und Männer, mit Fokus auf Nutzerfreundlichkeit und geschlechtsspezifische Bedürfnisse. - Italien — NSBproject
Fortschrittliche Neurorehabilitation: Robotik, Telerehabilitation und VR/AR im IRCCS Ospedale San Camillo, mit Fokus auf klinische Wirksamkeit und Integration in bestehende Abläufe.
BioRegio STERN Management GmbH