18.05.2021 | BIOPRO Baden-Württemberg GmbH | News

Neu entdeckte Wirkstoffe aktivieren das Inflammasom in Makrophagen

Unterschwellige chronische Entzündungen, verursacht von Komponenten des angeborenen Immunsystems, können langfristig eine Vielzahl von Erkrankungen begünstigen. Auf der Suche nach den Signalmechanismen, die diesen Entzündungsprozessen zugrunde liegen, entdeckte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Olaf Groß am Universitätsklinikum Freiburg neue Wirkstoffe mit immunstimulierenden Eigenschaften, die zusätzliche Möglichkeiten in der Krebsimmuntherapie eröffnen können.

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Mechanismus der Interleukin-1β (IL-1β) - Ausschüttung in Makrophagen. Nach der Detektion von Stress-Signalen durch das Sensormolekül NLRP3 assembliert der NLRP3 Inflammasom-Komplex und aktiviert Caspase-1. Diese aktiviert IL-1β und spaltet Gasdermin-D, das daraufhin Poren in der Zellmembran bildet, durch die IL-1β ausgeschüttet wird.

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Quelle: CIBSS, Universität Freiburg

Abhängig vom Sensormolekül unterscheidet man unterschiedliche Arten des Inflammasoms in Makrophagen. Das für chronische Entzündungen verantwortliche NLRP3 Inflammasom reagiert in erster Linie auf Reizstoffe statt auf Pathogene, es verursacht sogenannte sterile Entzündungen. Asbest beispielsweise löst so eine Entzündung des Lungengewebes aus, die langfristig zu Lungenkrebs führen kann. Entzündungen aufgrund von Harnsäure- oder Cholesterinkristallen dagegen verstärken die Symptome und Folgen von Gicht oder Arteriosklerose. Medizinisch ist das NLRP3 Inflammasom von großer Bedeutung, da seine kontinuierliche Aktivierung einer Vielzahl von Erkrankungen Vorschub leistet. Normalerweise sind Immunreaktionen fein ausbalanciert; sie müssen stark genug sein, um eine gute Abwehr zu erzeugen, dürfen aber nicht stärker bzw. länger andauern als notwendig, um den Körper nicht zu schädigen. „Wir verstehen nicht, warum das Immunsystem es nicht schafft, diese unterschwelligen Entzündungen abzuschalten“, erklärt Groß, der sich schon seit seiner Postdoktorandenzeit intensiv mit dem NLRP3 Inflammasom beschäftigt und seit 2017 eine Arbeitsgruppe am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikum Freiburg leitet.

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Makrophagen nach Inflammasom-Aktivierung. Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme mit aktiviertem Inflammasom (weiß), Zellkernen (blau) und den Strukturproteinen Tubulin (grün) und β-Aktin (rot).

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Quelle: CIBSS, Universität Freiburg

Einsatz in der Krebstherapie möglich

Die gefundenen Aktivatoren können möglicherweise aber auch direkt zur Unterstützung von Krebsbehandlungen eingesetzt werden. In der Mikroumgebung von malignen (bösartigen) Tumoren befinden sich verschiedenste Immunzellen, deren Funktion allerdings von den Tumorzellen manipuliert werden kann. Diese senden Signale aus, die die Immunzellen ausschalten oder im Fall von Makrophagen sogar umprogrammieren können, sodass letztere tumorfördernde Eigenschaften erhalten. Tumorassoziierte Makrophagen stellen daher einen wichtigen Angriffspunkt in der Krebstherapie dar. Eine spezifische Aktivierung des NLRP3 Inflammasoms mit Hilfe der neu entdeckten Wirkstoffe könnte das Immunsystem wieder auf den richtigen Weg bringen.

Mit Hinblick auf den zukünftigen therapeutischen Einsatz hat Groß nun einen Patentantrag eingereicht. Denn: „Nichtpatentierte Forschung ist im Grunde wertlos für die Industrie. Wenn die Rechte nicht gesichert sind, dann ist die Motivation sehr gering, die Grundlagenkenntnisse in Richtung Markt weiterzuentwickeln.“ Aufbauend auf eine vorhergehende Förderung durch den European Research Council (ERC) erhielt der Forscher jetzt einen „ERC Proof of Concept Grant". Dieser unterstützt speziell Arbeiten, die über die Grundlagenforschung hinausgehen. In den nächsten Monaten wird nun untersucht, wie verträglich die NLRP3 Inflammasom-Aktivatoren sind, und ob sie bestehende Krebstherapien oder eventuell auch die Immunantwort auf Impfstoffe verbessern können. Diese vorklinischen Daten steigern das Marktpotenzial und schaffen damit eine Grundlage für die Gewinnung von Investoren. Außerdem ist geplant, die Substanzen chemisch weiterzuentwickeln, um ihre Wirksamkeit und Spezifität und damit ihre Verträglichkeit zu erhöhen. Die gezielte Aktivierung der Makrophagen des angeborenen Immunsystems könnte in vielen therapeutischen Bereichen neue Möglichkeiten eröffnen.

Publikation:
Groß C. J. et al. (2016): K+ Efflux-Independent NLRP3 Inflammasome Activation by Small Molecules Targeting Mitochondria. Immunity 45, 761-773.
Quelle:
https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/neu-entdeckte-wirkstoffe-aktivieren-das-inflammasom-makrophagen