03.05.2023 | BioRegio STERN Management GmbH | Pressemitteilung

„Wenn ich etwas für richtig halte, dann mache ich es“

BioGrafie: Prof. Hans-Georg Rammensee

 

(Stuttgart/Tübingen) Prof. Hans-Georg Rammensee forscht seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Immunologie; dafür wurde er jüngst in die Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen. Ihn beschäftigt die Möglichkeit, den Körper gegen alle Arten von Krebs zu impfen und er gilt als Wegbereiter der mRNA-Impfung. Für Aufsehen sorgte vor drei Jahren sein Selbstversuch mit einem von ihm entwickelten Corona-Impfstoff. Unternehmen wie CureVac, Immatics, Prime Vector, Atriva und Synimmune nennen ihn ihren Spiritus Rector. Seine Abteilung Immunologie am Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen gilt als einzigartige Talentschmiede, die zahlreiche Start-ups hervorgebracht hat. Soeben hat er ein neues Unternehmen mitgegründet: die ViferaXS GmbH ist sein Jüngstes. Aber zufrieden ist der 70-Jährige noch lange nicht.

Professor Rammensee halt das BioRegio STERN Logo in den Händen und steht im Labor.

Prof. Hans-Georg Rammensee, Forscher und Immunologe an der Universität Tübingen.

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Bildrechte: Andreas Körner/BioRegio STERN Management GmbH

Der Mann in Schutzkleidung schwingt die Motorsäge so souverän, dass man sich kaum vorstellen kann, dass er eigentlich in Hightech-Laboren mit wesentlich filigraneren Objekten zu tun hat. Dort kämpft Prof. Hans-Georg Rammensee gegen bösartige Krankheiten. „Wenn ich von der Gremienarbeit, die auch dazu gehört, mir aber nicht so liegt, genug habe, dann arbeite ich zum Ausgleich im Wald“, erklärt der Forscher. Er schätzt es sehr, wenn sich seine Gesprächspartner kurzfassen und prägnant formulieren – so wie er selbst. Das gilt auch für die Formulierung seines Lebensziels: Prof. Rammensee entwickelt eine Impfung gegen Krebs – gegen jeden Krebs.

Seine Mission begann vor einem halben Jahrhundert, als er, 20-jährig, seinen Zivildienst im Universitätsklinikum Tübingen leistete. „Ich habe Krebspatienten sterben sehen, auch junge Leute. Und ich habe das Gefühl der Hilflosigkeit der Ärzte erlebt.“ Statt wie geplant Maschinenbau zu studieren, entschied er, sich der Krebsforschung zu widmen. „Ich sah, dass die Medizin wenig tun konnte und wollte daher die wissenschaftlichen Grundlagen für die Entstehung von Krebs erforschen.“ Sein Biologiestudium finanzierte er sich unter anderem mit Nachtwachen auf der Krebsstation. Und lernte im Studium etwas kennen, das ihn sein ganzes Leben nicht mehr loslassen sollte: Killerzellen. „Ich habe mitbekommen, dass es im Immunsystem diese T-Zellen gibt, die virusinfizierte Zellen umbringen können“, erinnert sich Prof. Rammensee. „Das war damals ganz neu. Die späteren Medizinnobelpreisträger Rolf Zinkernagel und Peter Doherty hatten gerade erst herausgefunden, wie das Immunsystem von Viren befallene Körperzellen erkennt. Wenn diese T-Zellen virusinfizierte Zellen umbringen können, so meine Idee, vielleicht können die das ja auch bei Krebszellen?“

Von diesem Moment an verschrieb sich Prof. Rammensee ganz der Immunologie und entwickelte in den folgenden Jahrzehnten seinen innovativen Ansatz einer Immuntherapie gegen Krebs. „1976 galt diese Idee als völlig abstrus, ich war ein Exot. Nicht mal mein Doktorvater, der Immungenetiker Jan Klein, glaubte daran, dass es funktionieren könnte.“ Trotzdem ließ er den „Dickkopf Rammensee“ in seiner Abteilung am Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen seine Thesen überprüfen. Rammensee isolierte mit seinem Team biochemisch Peptide von HLA-Molekülen, weil vermutet wurde, dort seien Peptide vorhanden, die von T-Zellen erkannt werden. Und diese Peptide, so seine Idee, könnten von normalen zellulären Strukturen sein – oder eben von krebsspezifischen Antigenen. Die T-Zellen erkennen Veränderungen in den Peptiden, die beispielsweise durch Tumorerkrankungen verursacht werden. Prof. Rammensee und sein Team entwickelten in den folgenden Jahren ein Verfahren, mit dem sich die von den T-Zellen erkannten Peptidantigene aus Viren und Tumorzellen genau bestimmen lassen. Darauf aufbauend, kann eine individuelle Immuntherapie für Krebspatienten ansetzen, die das Immunsystem aktiviert und die Tumorzellen vernichtet.

Der als Mitbegründer der Chemotherapie berühmte Mediziner Paul Ehrlich hatte zwar schon im vorletzten Jahrhundert vermutet, dass das Immunsystem etwas gegen Krebs tun könne, konnte sich mit seiner Hypothese aber nicht nachhaltig durchsetzen. So gab es bis in die späten 1980er Jahre kaum jemanden in der etablierten Wissenschaft, der den Ansatz von Prof. Rammensee unterstützen wollte. „Ich habe aber gedacht, so könnte das funktionieren und wenn es niemand macht und ich es für richtig halte, dann mache ich es halt.“ Dieses Selbstbewusstsein hilft ihm auch heute noch, an seinem Ziel festzuhalten, das dann doch nicht so „leicht“ zu erreichen war, wie er gehofft hatte: „20 bis 30 Jahre, hatte ich damals geschätzt, dann haben wir die Impfung. Aber es war dann doch viel komplexer als gedacht und leider auch mit vielen Rückschlägen verbunden.“

Dass er immer noch jeden Morgen mit dem Fahrrad auf die „Morgenstelle“ kommt, um am Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen die Abteilung Immunologie zu leiten, junge Wissenschaftler zu unterrichten und nebenbei auch noch Unternehmen gründet, das zeugt von großer Ausdauer – und Frustrationstoleranz. „Mein Ziel ist immer noch das gleiche wie seit vielen Jahren. Ich versuche, die personalisierte Krebs-Vakzinierung zum Erfolg zu bringen. Aber ich bin noch nicht an dem Punkt, an dem ich gerne wäre.“ Aktuell laufen zwei klinische Studien, die Prof. Rammensee vorsichtig optimistisch stimmen: „Wir sehen sehr starke Immunantworten, sehr schnell induziert, aber ob die jetzt wirksam sind gegen den Krebs, das kann man erst nach weiteren Studien sagen.“

Profilbild von Prof. Rammensee

Serie BioGrafie: Prof. Hans-Georg Rammensee im Interview mit BioRegio STERN Management GmbH.

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Bildrechte: Andreas Körner/BioRegio STERN Management GmbH

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