Verschlankung der Forschung ohne Qualitätsverlust
Jede Zelle eines Individuums besitzt dieselben Erbinformationen, die sich jedoch in Abhängigkeit von ihrer Funktion und den Umweltbedingungen in der Genaktivierung unterscheiden: Sie synthetisieren unterschiedliche Proteine. Die Analyse der so ge-nannten Genexpression ist eine wichtige Grundlage für die Tumorforschung. Eine Methode zur Genexpressionsanalyse ist der »Northern Blot«, ein Verfahren, bei dem durch Gelelektrophorese getrennte RNA-Moleküle auf Membrane übertragen werden, der Nachweis spezifischer Sequenzen erfolgt durch Hybridisierung mit einer markierten Sonde – eine molekularbiologische Technik, bei der sich an einem Einzelstrang einer Ribonukleinsäure ein komplementärer DNA- oder RNA-Einzelstrang anlagert. Ein Abbild der Genexpression lässt sich auf einem Röntgenfilm gewinnen.»Bisher war es üblich, einen DNA-Strang radioaktiv zu markieren, wobei die Sonde mit dem Blot hybridisiert wird«, erklärt Dr. Michael Aggensteiner vom moleku-larbiologischen Dienstleister Acribio e.K. »Nicht-radioaktive Verfahren kamen bislang nicht an das Qualitätsniveau radioaktiver Methoden heran.« Der Chemiker arbeitet daran, ein nicht-radioaktives Northern Blot-Verfahren soweit zu vervollkommnen, dass er es Forschungseinrichtungen anbieten kann. »Wir haben uns für ein nichtradioaktives Verfahren entschieden, weil wir glauben, dass radioaktive Methoden antiquiert sind. Als Sonden setzen wir Oligonukleotide ein, die mit Biotin markiert sind«, so Dr. Michael Aggensteiner weiter.
Das kleine Unternehmen Acribio hat seinen Sitz in einem der Starter-Labore im Technologiepark Tübingen-Reutlingen. »Die Labore sind komplett mit Labormöbeln, Notstromanschluss, deionisiertem Wasser sowie allen notwendigen Medienanschlüssen ausgestattet«, erklärt Peter Wilke, Geschäftsführer der Technologieförderung Reutlingen-Tübingen GmbH. »Es gibt außerdem jeweils ein Büro als ‚Denkzelle’. In der BioRegion STERN können Biotech-Gründer wie Dr. Aggensteiner ihre Unternehmensidee ausprobieren, ohne langfristige Bindungen einzugehen.« Noch sei das Dienstleistungskonzept von Acribio eine absolute Novität in der Forschungslandschaft, sagt Dr. Michael Aggensteiner: »Die meisten Institutionen machen das alles bislang selbst, tatsächlich aber gibt es gerade in der medizinischen Forschung das Problem, dass Ärzte sich mit interessanten Fragestellungen beschäftigen, aber keine ausreichende Laborpraxis haben, um hochkomplexe Untersuchungsmethoden richtig einzusetzen.«Der Acribio-Service schafft die Voraussetzung dafür, die Forschung zu verschlanken und gleichzeitig ihre Qualität zu verbessern. Der Northern Blot, ideal etwa als sehr genaue Zweitmethode zur Verifizierung von Array-Ergebnissen aus Massenuntersuchungen, soll die zentrale Rolle spielen. Nachdem das Untersuchungsgut eingegangen und die Fragestellung geklärt ist, fertigt Acribio die benötigte Gensonde an und stellt die gewünschten Northern Blots her. Das fertige Bild kann über das Internet abgerufen werden. Dr. Michael Aggensteiner ist vom zunehmenden Erfolg seines Angebots fest überzeugt: »So wie in der Vorzeit niemand auf die Idee gekommen wäre, Brot oder Kleidung zu verkaufen, weil man so etwas eben selbst hergestellt hat, brauchen moderne Dienstleistungsangebote eine gewisse Zeit, bis sie selbstverständlich geworden sind.«