21.02.2005 | Pressemitteilung

Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts kommunizieren

Der erste internationale Fachkongress für Regenerationsbiologie war für die BioRegio STERN ein voller Erfolg.

Professor Dr. Arnold I. Caplan, Biologieprofessor an der Case Western Reserve University (CWRU) in Cleveland, Ohio, USA, Experte für Entwicklungsbiologie, Tissue-Engineering und zellbasierte Therapien, gelang es, das Thema des BioStar-Kongresses 2004 mit einem Satz zu erklären – und plausibel zu machen, weshalb die Regenerationsbiologie als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts wissen-schaftlich wie wirtschaftlich von größter Bedeutung ist: »Wir leben, weil sich unsere Zellen ständig erneuern. Das Verständnis um diese permanente Erneuerung ist die Grundlage der Regenerationsbiologie.« Die BioStar-Veranstalter Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, Dr. Ralf Kindervater, Geschäftsführer der BIOPRO Baden-Württemberg GmbH, und Professor Dr. med. Claus Claussen, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen und Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Bio-technologie e.V., nahmen derartige Statements mit Genugtuung auf. »Wir sehen uns massiv darin bestätigt, dass es ein richtiger Schritt war, die Regenerationsbiologie zu ei-nem der Schwerpunkte unserer Arbeit zu machen. Bis 2007 können in der Region für konkrete Projekte, die sich am Patienten orientieren, 18 Millionen Euro ausgegeben werden«, sagte Dr. Eichenberg. Dennoch sei an ein Arbeiten ohne Unterstützung der öffentlichen Hand vorerst nicht zu denken, betonte Dr. Kindervater: »Die Bereitschaft, in diesen zukunftsträchtigen Sektor mit seinen neuartigen Methoden und Technologien zu investieren, ist noch immer zögerlich, wir haben immer noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.«Für diese Mission haben die Veranstalter allerdings höchst potente Mitstreiter gefunden: Dr. Harald Stallforth vom Gesundheitsforum Baden-Württemberg und Mitglied der Geschäftsleitung Forschung und Entwicklung bei B. Braun-Aesculap sowie Professor Dr. Thomas Skutella, Leiter der Sektion Tissue Engineering am Anatomischen Institut der Universität Tübingen. Sie überzeugten die weit über 250 Wissenschaftler aus dem In- und Ausland, die nach Stuttgart gekommen waren, um über aktuelle Entwicklungen auf den Gebieten Neuroregeneration, Regeneration von Stützgeweben wie Knochen oder Knorpeln und Regeneration im kardiovaskulären System, der Hautgefäße und der inneren Organe zu diskutieren, dass hier die Medizin der Zukunft definiert wird. Auch die Gäste des Satellitensymposiums »Regenerative Biomaterialien«, mit dem der Fachkongress eröffnet worden war, wurden explizit aufgefordert, alles dafür zu tun, um im Interesse der Patienten die gemeinsame wissenschaftliche Mission zu schnellen Erfolgen zu führen.

'Durch Dick und Dünn: Drosophila hilft Fettsucht zu verstehen'

Dass die Redebeiträge in ihrer überwiegenden Mehrzahl wissenschaftliche Theorie und medizinische Praxis gleichwertig in den Mittelpunkt stellten, war eine der besonderen Qualitäten des BioStar. »Auch in dieser Beziehung ist unser Konzept hundert-prozentig aufgegangen«, sagte Dr. Eichenberg. Um die potenzielle Bedeutung, aber auch die Notwendigkeit der Vernetzung der in Stuttgart vertretenen Disziplinen zu veranschaulichen, schilderte Professor Dr. Herbert Jäckle, Direktor des Göttinger Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie, den Weg von der Entwicklungsbiologie zur Regenerationsbiologie: »Der menschliche Körper besteht aus 10 hoch 13 Zellen, die man 200 bis 300 Zelltypen zuordnen kann. Je nach ihrer Bestimmung muss jede einzelne Zelle lernen, sich richtig zu entwickeln, den Körper als Teil des ganzen Systems zu bedienen und ihren speziellen Part zu leisten.« Am Beispiel der Fruchtfliege Drosophila zeigte Jäckle, wie man Gene mutieren kann, um Fliegen dicker oder dünner werden zu lassen: Wird ein bestimmtes Gen ausgeschaltet, nimmt die Fliege zu, löst man beim selben Gen eine Überaktivität aus, tritt der gegenteilige Effekt ein, und die Fliege magert ab. Da Mensch und Fliege genetisch gar nicht so weit auseinander lägen, seien die Ergebnisse aus seinen Forschungen an der Drosophila von einiger Bedeutung für das Verständnis der Fettsucht beim Menschen.
Dr. Franz Jakob, Professor für Klinische und Experimentelle Osteologie an der Universität Würzburg, griff die These seines Göttinger Kollegen Professor Jäckle auf, dass die Geweberegenerierung ein Spiegel der Entwicklungsbiologie sei und gab einen Überblick über den Stand der Forschungen zu Mechanismen der Knochenregeneration und die Ansätze für therapeutische Strategien.'Wir wollen, dass verschiedene Fachbereiche miteinander kommunizieren.' Nicht nur im Rahmen der stark frequentierten Vorträge, sondern auch in begleitenden Workshops – zu den Themen Ernährungsphysiologie und REMEDY, einem EU-Förderprogramm mit dem Ziel, Netzwerke für Start-up Unternehmen, insbesondere im Bereich des Tissue Engineerings zu fördern – und Pausen entwickelten sich lebhafte Diskussionen, was die Veranstalter in ihrer Referentenauswahl bestätigte. »Im Vorfeld war die Frage gestellt worden, warum Neurologen, Biologen und Orthopäden eingeladen wurden«, sagte Dr. Eichenberg. »Wir wollen die verschiedenen Fachbereiche dazu bringen, miteinander zu kommunizieren. Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden, denn im Kern überschneiden sich die Grundlagen vieler Anwendungsbereiche, wie nicht zuletzt am Beispiel der Stammzellenforschung deutlich wird.«

'Regeneration bei Lähmung, Parkinson und Erbkrankheiten?'

Zu den meist beachteten Vorträgen gehörte Professor Caplans Beitrag zum Thema Zellersatztherapie. »Tissue Engineering ist nicht nur bedeutsam für die Wiederherstellungsmedizin nach Unfällen, sondern kann auch eine geeignete Therapieform für genetische Krankheiten sein«, war eine seiner zentralen Thesen. Mäuse mit einer angeborenen Muskelschwäche wurden im Rahmen seiner Forschungsarbeit mit Knochenmark-Stammzellen behandelt und vollständig geheilt. Auch seine Ausführungen über das »Cell Painting« erregten größte Aufmerksamkeit: Mit dem Ziel, sie schneller wirksam werden zu lassen, verändert Professor Caplan die Zelle in vitro und markiert bzw. »bemalt« sie mit Molekülen. Diese lotsen die Zelle an die gewünschte Stelle und bleiben dort hängen. Dr. Martin E. Schwab, Professor für Neurowissenschaften am Departement Biologie der ETH Zürich und Gründer des Zentrums für Neurowissenschaften, sprach über die Bedeutung der Neuroregeneration bei der Suche nach Heilmethoden nach Wirbelsäulen-defekten. Der Arbeitsschwerpunkt seines Teams ist die Optimierung von Nervenwachstum mit dem Ziel der spontanen Bildung neuer »Schaltkreise« als Basis für die funktionale Rehabilitation. »Wir haben lange nicht verstanden, warum die unmittelbare Möglichkeit der Wirbelsäule und des Gehirns, sich zu regenerieren so extrem gering ist«, sagte Professor Schwab. »Die Möglichkeiten der modernen Biologie ermöglichen uns erste Antworten, dabei sollten wir unser Wissen aus Büchern manchmal außen vor lassen.« In Feldversuchen mit Ratten hatte er »regeneratives Austreiben neuer Gewebestränge, so genannter Tissue-Bridges« beobachtet. Bisher waren die Histologen von der Nutzlosigkeit dieser »Auswüchse« ausgegangen, Professor Schwab aber stellte fest, dass sie nach einiger Zeit Wachstumkegel bilden. Im nächsten Schritt wolle man es schaffen, Antikörper zu generieren, die das so genannte Nogo A bremsen, das das Wachstum im zentralen Nervensys-tem Erwachsener lähmt.
Professor Dr. Thomas Gasser, Vorstand der Abteilung Neurodegenerative Erkrankungen an der Universität Tübingen, beschäftigt sich mit der immer noch rätselhaften Parkinson-Krankheit. »Eine Hypothese zur Ursache der Nervendegenerierung bei Parkinson lautet: Proteine sammeln sich als neuro-toxische Substanz.« Sein aktueller Ansatz sei die Suche einer Strategie zum Schutz der Neuronen, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, erklärte Professor Gasser. »Wenn wir die Symptome früher erkennen, können wir möglicherweise die Schwelle vermeiden, an der Parkinson ausbricht.«

'Bereits 2006 wird weiter diskutiert'

Als Fazit verdient Dr. Eichenbergs Conclusio besondere Beachtung: »Der Kongress hat uns auch das gute Renommee dieses Biotech-Standortes bestätigt, mit unserem interdisziplinären Ansatz lagen wir genau richtig.« So werden die Veranstalter, von der Qualität der Konferenz und dem positiven Feedback angetrieben, auch den nächsten BioStar im Jahr 2006 überdisziplinär anzulegen. zk-ado

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