15.06.2005 | Pressemeldung

Molekularer Schlüsseldienst für Pharmafirmen

Tübinger m-phasys GmbH erhält 1,4 Millionen Euro vom BMBF für Proteinstrukturanalyse

Mit der soeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, bewilligten Förderung in Höhe von 1,4 Millionen Euro wird die 1999 gegründete Tübinger m-phasys GmbH Proteinstrukturen aufklären, die bei der Entdeckung neuer Medikamente helfen.

»Unter den meistverkauften Medikamenten befinden sich viele, die direkt auf Ionenkanäle der menschlichen Zelle wirken. In anderen Fällen können unerwünschte Wechselwirkungen von Medikamenten mit Ionenkanälen aber auch für gefährliche Nebenwirkungen verantwortlich sein. Aus diesem Grund spielt die Erforschung dieser Wechselwirkungen eine große Rolle in der Medikamentenforschung. Wir werden uns in dem Projekt auf Ionenkanäle konzentrieren, weil wir wissen, dass Pharmaunternehmen an Detailinformationen über diese Proteinklasse extrem interessiert sind', erklärt m-phasys-Geschäftsführer und Biochemiker Dr. Hans Kiefer.

Die Kernkompetenz des 20-köpfigen Forscher- und Entwicklerteams von
m-phasys ist die Herstellung, Kristallisierung und Strukturaufklärung menschlicher Membranproteine, so genannter Rezeptoren, die in der Zelle die Weiterleitung von Signalen vermitteln. Diese Proteine sind für die Wirkung von Medikamenten von enormer Bedeutung: So wirken beispielsweise Betablocker, indem sie an einen bestimmten Rezeptortyp, den beta-adrenergen Rezeptor, binden und dort die Wirkung des Hormons Adrenalin unterdrücken. Auf diese Weise lässt sich der Blutdruck senken. Insgesamt zwei Drittel aller heute erhältlichen Medikamente funktionieren nach diesem Prinzip, indem sie ganz bestimmte Rezeptoren steuern. Um neue Medikamente zu finden, ist es daher sehr nützlich, wenn man mit den Rezeptoren, die m-phasys liefert, im Reagenzglas experimentieren kann.

Bei der Strukturanalyse, dem bisher zentralen Geschäftsfeld der m-phasys, versuchen die Forscher, die dreidimensionale Struktur von Proteinen aufzuklären. Dazu stellen sie die Proteine in großer Menge und in Reinform her und bringen diese zum Kristallisieren. Die Kristalle werden dazu verwendet, Röntgenstrahlen auf spezifische Weise abzulenken. Aus dem Ablenkungsmuster kann am Ende die Proteinstruktur berechnet werden. »Wichtig ist, dass homogenes Protein in genügender Menge zur Verfügung steht, sonst bilden sich keine Kristalle ausreichender Qualität«, sagt Dr. Hans Kiefer. Die Tübinger Forscher sind die einzigen weltweit, die in der Lage sind, membranständige Proteine mittels der M-FOLD-Technologie zu kristallisieren.

Aus Sicht der Pharmaunternehmen ist die dreidimensionale Struktur eines Zielproteins eine äußerst wertvolle Information: Die Wirkung eines Medikamentes lässt sich mit einem Schlüssel vergleichen, der ins Schloss gesteckt wird. Das Medikament, also der Schlüssel, muss spezifisch zum Zielprotein, dem Schloss, passen, damit es wirken kann. »Wir wollen den Pharmaherstellern zeigen, wie das Schloss aussieht, damit sie den Schlüssel dazu gezielt bauen können, anstatt alle möglichen Schlüssel aufs Geratewohl auszuprobieren. Wir sind so zusagen ein molekularer Schlüsseldienst«, so Dr. Hans Kiefer.

Kunden von m-phasys sind ausnahmslos große Pharmaunternehmen, die Strukturanalysen in Auftrag geben, um Medikamente – zum Beispiel für die Schmerztherapie, im Herz-Kreislaufbereich oder zur Behandlung psychischer Krankheiten – zu entwickeln. »Bei vielen dieser Erkrankungen kann man durch gezieltes Aktivieren oder Blockieren eines Rezeptors helfen, indem man der Krankheitsursache entgegen steuert«, erklärt Dr. Hans Kiefer. Im Antrag für die vom BMBF bewilligten Fördermittel aus dem BioChancePLUS-Programm in Höhe von 1,4 Millionen Euro über drei Jahre ging es um die Strukturanalyse einer für m-phasys neuen Klasse von Membranproteinen, den Ionenkanälen. Diese sind im Körper beispielweise für die Leitung von Nervensignalen notwendig. Ebenso wie die Rezeptoren dienen sie aber häufig auch als Zielprotein von Medikamenten. m-phasys arbeitet seit knapp zwei Jahren an Ionenkanälen, wenn auch bisher nur in Form eines Pilotprojektes. Mit den Fördermitteln kann dieser Bereich nun stark ausgebaut werden. Hauptgrund für die Bewilligung der Fördermittel waren die raschen Fortschritte im laufenden Pilotprojekt. Kooperationspartner ist die Elektrophysiologie-Abteilung des NMI in Reutlingen unter Leitung von Prof. Elke Günther, wo eine Qualitätskontrolle der von m-phasys hergestellten Ionenkanäle vorgenommen werden wird.

Für Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH ist es technisch und wissenschaftlich gesehen eine Sensation, Membranproteine unterschiedlicher Klassen herstellen zu können: »m-phasys schafft es auf diese Weise, Rezeptoren und Ionenkanäle mit den erforderlichen Bindungseigenschaften und der verlangten biologischen Aktivität und Selektivität in Reinform herzustellen – das ist bisher noch niemandem gelungen.«Neben der Strukturanalyse etabliert m-phasys seit kurzem ein neues Geschäftsfeld, nämlich die Herstellung von Antikörpern, welche gegen Membranproteine gerichtet sind und selbst als Medikamente dienen können. »In der Vergangenheit scheiterten viele Versuche, Antikörper gegen Membranproteine zu erzeugen, da es nicht möglich war, das Antigen in ausreichend reiner und stabiler Form herzustellen«, erklärt Dr. Hans Kiefer die vergeblichen Bemühungen vieler Mitbewerber. »Der Durchbruch gelang uns in den letzten Monaten in Zusammenarbeit mit Partnern aus Forschung und Industrie. Erfolgreich war letztendlich der Einsatz der patentierten M-FOLD-Technologie, mit der die Membranprotein-Antigene hergestellt wurden'. Gezielt sucht m-phasys nun nach Kunden und strategischen Partnern, die die Entwicklung solcher Antikörper zu Medikamenten vorantreiben wollen.