02.11.2004 | Pressemitteilung

Mit Haut aus Haaren: Transplantate heilen chronische Wunden

Die Leipziger euroderm GmbH verlagert Produktion von Hauttransplantaten nach Stuttgart

Die euroderm GmbH aus Leipzig wird ihre Hauttransplantate künftig in Stuttgart herstellen. Die Geschäftsführer Sabine Krüger und Dr. Andreas Emmendörffer haben in ganz Deutschland nach geeigneten Reinräumen und Herstellungsbedingungen gesucht und sie am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, IGB, gefunden.
Es klingt nach Zukunftsvision: Patienten mit schlecht verheilenden Wunden werden ein paar Haare gezupft, und nach 28 Tagen steht ein Hauttransplantat zur Verfügung, das die Wunde in kürzester Zeit problemlos schließt. Möglich wird diese »Wunderheilung« dank eines weltweit einzigartigen Verfahrens, mit dem die euroderm GmbH menschliche Haut aus Haarwurzeln züchtet. »Wir stellen wirkliche Haut her, nicht nur Hautzellen aus der Tube«, erklärt Emmendörffer das Besondere der Methode. »Aus der Zellkultur steht vorgefertigte Oberhaut zur Verfügung, so dass die Bildung der neuen Epidermis nicht mehr direkt auf der Wunde stattfinden muss. Wir bekommen ein fertiges Transplantat, das auf der Wunde nur noch anzuwachsen braucht.«
Das Biotech-Unternehmen euroderm, das vor zweieinhalb Jahren in Leipzig gegründet wurde, ist auf zwei Geschäftsfeldern tätig. Zum einen im Bereich der Arzneimittel zur Behandlung chronischer Wunden, zum anderen werden menschliche Hautmodelle für Industrie oder Forschungseinrichtungen hergestellt, mit denen sich – alternativ zu Tierversuchen – Kosmetika, Pharmaka oder Chemikalien auf Verträglichkeit testen lassen.
Das Arzneimittelgesetz schreibt für die Herstellung von Hauttransplantaten für die Behandlung chronischer Wunden bestimmte Anforderungen an die Räumlichkeiten vor: Als Produktionsumgebung für Tissue Engineering Produkte sind ausschließlich besondere GMP-Labore (good manufacturing practice), also Reinräume, zugelassen, in denen nach einem zertifizierten Verfahren gearbeitet wird. In der BioRegio STERN, am Stuttgarter Fraunhofer-IGB, fand die euroderm nicht nur ideale Labor-Bedingungen vor: »Wir haben hier einen Standort, an dem die Regenerative Medizin höchst kompetent behandelt wird, schließlich hat die BioRegio STERN beim BioProfile Wettbewerb genau mit diesem Thema Projektfördermittel eingeworben.« Hinzu komme die rundum überzeugende Infrastruktur sowie eine aktive Forschungslandschaft. »Die Industrie mit Perspektive, die Wirtschaftsförderung und Logistik – alles stimmt. Von hier aus können wir unsere Hauptkunden in der Schweiz und bald auch in Frankreich und Großbritannien optimal beliefern.«
Für den weiteren Ausbau der Geschäftstätigkeit, vor allem des Vertriebs, sucht euroderm nach einem geeigneten Finanzierungsmodell: »Die benötigte Summe von höchstens drei Millionen Euro ist für Venture-Capital-Geber nicht besonders interessant, da müsste schon eine Null mehr dran sein. Daher suchen wir privates Kapital, beispielsweise von Business Angels.«
Tatsache ist, dass gerade Unternehmen, die im Bereich der regenerativen Medizin aktiv sind, einen langen Atem brauchen. Denn eine ambulante Behandlung mit den Hauttransplantaten kostet rund 3.500 Euro, die private Versicherungen zwar meist übernehmen, kaum aber die gesetzlichen Krankenkassen. Derzeit arbeitet die euroderm daran, das Verfahren auch für Selbstzahler attraktiver zu machen. »Damit ergeben sich dann auch für die Patienten eine Chance, die Wunde kurzfristig zu verschließen, bei denen die gesetzliche Krankenkasse eine Kostenübernahme ablehnt, und die schon Monate oder gar Jahre damit leben mussten«, erklärt Emmendörffer die Perspektive. »Für das Hauttransplantat gibt es bereits in der Schweiz eine geregelte Kostenerstattung. Dort sind die gesetzlichen Kassen verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, sofern es ein für die Behandlung geschulter Arzt verordnet.« Beide Geschäftsführer setzen darauf, dass dies in spätestens drei Jahren auch in Deutschland der Fall sein wird. Eine klinische multizentrische Studie mit Patienten aus Deutschland und der Schweiz wurde erfolgreich abgeschlossen und veröffentlicht.
Idee und Therapie haben tatsächlich alle Chancen, sich durchzusetzen, die Vorteile liegen auf der Hand. So können betroffenen Patienten in jeder Arztpraxis einige Haare ausgezupft werden, die der Arzt ins Labor schickt. Wenige Wochen später wird das gewachsene Transplantat in einem normalen Behandlungszimmer auf die Wunde aufgelegt und anschließend ambulant weiter behandelt. Eine wichtige Voraussetzung: Die Wunde muss frei von bakteriellen Infektionen sein, weil sonst das Risiko zu groß ist, dass das Transplantat abstirbt. Dennoch wird noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten sein: »Wir stehen im Wettbewerb mit den behandelnden Chirurgen in den Kliniken, die kritische Wunden behandeln, indem sie eine weitere Wunde öffnen und einen Hautlappen auf die Problemstelle verpflanzen. Unsere Methode ist schneller und kostet mindestens ein Drittel weniger – und für den Patienten ist sie natürlich sehr viel angenehmer.«
Wenn sich die wirtschaftlichen Erwartungen erfüllen, wird euroderm in einigen Jahren vielleicht eine eigene Reinraumanlage bauen. Den Fehler vieler anderer Biotech-Unternehmen, die zu schnell wachsen wollten, wird die euroderm aber auf keinen Fall wiederholen. Deshalb wird Schritt für Schritt geplant: »Momentan läuft die Validierung für die Herstellerlaubnis, und wir sind sehr optimistisch, dass wir sie bald erhalten, die Infrastruktur ist schon vorhanden.«