04.06.2013 | Pressemitteilung

Mehr Effizienz durch branchenübergreifende Kommunikation

Erfahrungsaustausch und Netzwerkpflege bei den Biotechnologietagen 2013

26 Symposien, Frühstücksrunden und Diskussionsforen bei den Biotechnologietagen 2013 im Stuttgarter Haus der Wirtschaft machten einmal mehr deutlich, wie breit gefächert das Spektrum der Biotechnologie ist. Besonders gefragt waren Themen wie Rahmenbedingungen, Branchenkooperationen, Zukunftsperspektiven, Gesundheitswirtschaft und Forschung. Besonders intensiv wurde über Regenerative Medizin und ihre Möglichkeiten oder über neue Wege der Finanzierung diskutiert.

Das Thema „Biotechnologie und Automatisierung“ stieß auf besonders großes Interesse, entsprechend gut besucht war der Konferenzraum. Andreas Traube, Leiter der Abteilung Laborautomatisierung und Bioproduktionstechnik am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, IPA, sprach über Aufgaben und Lösungen aus Sicht der Ingenieurwissenschaften. Die Frage nach der Bedeutung der Automatisierung für die Biotechnologie ist aus seiner Sicht eine rhetorische, schließlich seien die Ingenieurwissenschaften auch aus dieser Branche nicht mehr weg zu denken. Er begrüßte es ausdrücklich, dass „immer mehr junge Leute Ahnung vom Ingenieurswesen und der Biotechnologie haben.“ Er benannte aber auch die Nachteile und Herausforderungen, die mit der Automatisierung einher gehen können. So sei zwar mit automatischen Prozessen ein höherer Durchlauf und damit eine höhere Profitabilität möglich, doch die Flexibilität, auf Probleme zu reagieren, gehe damit zurück. „Das Problem ist, dass die Automaten blind sind, sie wissen nicht, was in ihnen vorgeht und sie haben auch nicht die langjährige Erfahrung eines Labormitarbeiters.“ Gerade deshalb sei es so wichtig, die Arbeitsprozesse zu standardisieren, auch wenn der Weg vom manuellen Laborprozess zur Automatisierung lang sei, da sich biotechnische Verfahren und Protokolle ständig änderten und fast monatlich neue Prozesse entwickelt würden. „Die Automatenentwickler laufen den Verfahrensentwicklern immer ein Stück hinterher, manchmal sogar um Generationen“, beklagt Traube. Deshalb müssten wandelbare, flexible und modulare Geräte angeboten werden, die anpassbar und umprogrammierbar seien und Schnittstellen für weitere Geräte böten. „Viele Labormitarbeiter erwarten im neuen Gerät die Eier legende Wollmilchsau, aber häufig ist die gar nicht notwendig. Die Nutzer brauchen einfach Unterstützung bei der Auswahl der Geräte, denn sie sind nun mal keine Technologen.“ Ein weiterer wichtiger Faktor sei das effektive Datenmanagement, da Labore Datenfabriken seien.

Damit Ideen nicht nur Ideen bleiben

Der Biologe Dr. Simon Mauch von Miltenyi Biotec hat Zellkultursysteme automatisiert mit dem langfristigen Ziel einer zellulären Therapie. „Was bedeutet Automatisierung für mich? Ich will einen Prozess von alleine laufen lassen und nicht meine Zeit damit verbringen müssen“, fasst Dr. Mauch zusammen. Das scheint ihm auch gelungen zu sein: „Mit Automatisierungsprozessen kann man Dinge, die sonst sehr lange dauern, wie zum Beispiel die künstliche Evolution von Zellen, sehr schnell durchführen.“ Es sei zwar schwierig, die Erfahrung eines Laboranten in den Automaten zu bringen, doch wenn man das geschafft habe, sei das System sehr effizient.

Dr. Marc Meienberger von QIAGEN erläuterte die Chancen und Risiken der Überführung manueller biotechnischer Tests in die Automatisierung. Er stellte die Bedeutung einer guten Kommunikation und engen Zusammenarbeit zwischen Biologen und Ingenieuren heraus. „Da prallen zwei Welten aufeinander: Der Biologe denkt komplex und ganzheitlich, der Ingenieur analysiert eher die Einzelteile und setzt sie hinterher wieder zusammen“, erklärt Dr. Meienberger. Aber wenn man ständig an der Kommunikation arbeite, wie in einer guten Ehe, dann könne die Biotechnologie nur davon profitieren. Auch Joseph Trapl von der M+W Group bezeichnete die Verbindung zwischen Biotechnologie und Automatisierung als sehr wertvoll. Die Kooperation zwischen den verschiedenen Branchen sei so wichtig, damit Ideen nicht Ideen blieben, sondern auch umgesetzt werden könnten.

Gutes tun und gleichzeitig ökonomisch wachsen

Was aus Ideen werden kann, zeigte das Symposium zur Gesellschaftlichen Relevanz von Innovation. Dort ging es um die Frage, wie biotechnologische Entwicklungen unser Leben verändert haben. Roland Göhde von Partec stellte seine Arbeit und die aktuelle Situation in Entwicklungsländern dar. Sein Fokus lag darauf, einfache und kostengünstige Diagnoseverfahren für Krankheiten wie AIDS, Tuberkulose oder Malaria zu entwickeln: „In den Entwicklungsländern herrscht ein dringender Bedarf an neuartigen, kostengünstigen und einfachen Lösungen für HIV-AIDS-Patienten.“ Die Therapie hängt davon ab, wie hoch der Wert der CD4-Zellen im Körper ist. Diese geben Auskunft darüber, wie es um das Immunsystem des Körpers bestellt ist. Um dies festzustellen, muss der Wert vier Mal jährlich getestet werden. Die klassische Methode der AIDS-Diagnose dauert 19 Minuten und kostet pro Test 40 Euro. 160 Euro pro Jahr sind aber in Ländern, in denen ein durchschnittlicher Jahresverdienst bei 150 US-Dollar liegt, nicht bezahlbar. Also entwickelte Roland Göhde mit seiner Firma Partec ein portables und batteriebetriebenes Testlabor, das unabhängig von der gegebenen Infrakstruktur ist. Der neue Test dauert nur noch maximal 70 Sekunden und kostet zwei Euro. „Das Schöne ist, wie positiv die Menschen dort auf diese Möglichkeit der Diagnose reagieren, sie sehen ein positives Ergebnis nicht als Stigmatisierung an“, so Göhde. Auch ein Schnelltest für Malaria wurde entwickelt, mit dem in vier Tagen 542 Kinder getestet werden konnten. Das Ergebnis von rund 57 Prozent Erkrankten zeigt auf, wie wichtig solche einfachen Diagnoseverfahren für die Bevölkerung sind. Roland Göhde ermutigte auch andere Biotechnologen, sich für den Markt der Entwicklungsländer zu öffnen, denn so könne man Gutes tun und gleichzeitig ökonomisch wachsen.

Konvergenz der Technologien

„Es geht oft unter, dass die Gesundheitswirtschaft ein starker Faktor für die Volkswirtschaft ist“, so Dr. Evelyn Obele vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Symposium „Biotechnologie & Medizintechnik“. Sie stellte Fördermöglichkeiten der Gesundheitswirtschaft durch das BMBF vor. Als ein Beispiel nannte sie das Projekt REGiNA, das die BioRegion STERN koordiniert. REGiNA eröffnet den Patienten einen breiten Zugang zur Regenerativen Medizin damit die entsprechenden Therapien flächendeckend etabliert werden können.

Welche Innovationen die Konvergenz der Technologien eröffnen kann, stellte beispielsweise Dr. Antje Rötger von Carpegen mit einer kostengünstigen Vor-Ort-Diagnostik von Infektionserregern und genetischen Markern vor. Mithilfe von DNA/RNA-Analysen weist Carpegen beispielsweise Parodontalkeime in Proben nach. Die derzeitige Diagnostik sei jedoch zu langsam und zu komplex. Durch das Warten auf das Ergebnis verzögere sich die Behandlung, die Patienten müssten immer ein zweites Mal in die Praxis kommen. Also entwickelte Carpegen ein vollständig automatisiertes einfaches Diagnoseverfahren, das innerhalb von höchstens 60 Minuten zum Ergebnis führt. Das Gerät kann direkt in der Praxis eingesetzt werden und spart so Zeit und Kosten. „Es wäre auch denkbar, ein portables Gerät in der Veterinärmedizin einzusetzen“, so Dr. Rötger zuversichtlich.

Biotechnologie in Deutschland wird nicht entschieden genug unterstützt

Das Image der Biotechnologie in Deutschland wurde unter anderem im Symposium „Biotechnologie in Deutschland. Wird die Branche unterschätzt?“ diskutiert. Das Podium war mit Dr. Patrick Dieckhoff, Leiter der Geschäftsstelle des Bioökonomierats, Dr. Georg Kääb von BioM, Dr. Michael Metzlaff von Bayer, Dr. Marc-Denis Weitze von acatech und Dr. Rudolf Straub, vom Projektträger Jülich hochkarätig besetzt. In der sehr kontrovers geführten Diskussion gelangte man schließlich zu der Einsicht, dass einer der Gründe für das unbestreitbar verbesserungswürdige Image der Biotechnologie der schlechte Informationsstand in der Bevölkerung sein könnte und dass man diese künftig von Anfang an ins Boot holen müsse. Denn dass Biotechnologie täglich angewendet wird, wissen die Wenigsten. So komme Biotechnologie zum Beispiel in jedem Waschmittel ebenso zum Einsatz wie bei der Baumwolle für die Jeanshose. Bei der Frage, ob die Biotechnologie überhaupt die Akzeptanz der Bevölkerung brauche, kam man erwartungsgemäß zu keinem Ergebnis.

Ein weiteres großes Thema war die finanzielle Unterstützung von Start-Up-Unternehmen in Deutschland. So wurde einerseits dargelegt, dass die Unterstützung im Vergleich zur USA oder der Schweiz sehr schwach sei. Ebenfalls kritisiert wurde, dass der Schritt vom Forschungsergebnis zur Unternehmensgründung nicht entschieden genug unterstützt werde. Dazu komme, dass viele Start-Ups von ausländischen Unternehmen geschluckt würden. Diese seien oft schneller und flexibler als die deutschen. Von anderer Seite kam der Einwand, dass die Branche durch Allianzen und private Geldgeber bereits hinreichend unterstützt würde, es aber zu wenig gute Ideen für Neugründungen gäbe. 20 Neugründungen im Jahr 2012 seien einfach zu wenig. Eine Lösung hierfür könnte eine interdisziplinäre Ausbildung sein, damit die Biotechnologen und Wirtschaftswissenschaftler künftig beide Bereiche kennen.

Ein Club der Optimierer?

Dieses Thema wurde auch beim „World Café“ aufgegriffen. Dort konnte man in gemütlicher Runde beim Frühstück interaktiv und ergebnisorientiert darüber diskutieren, welche Strukturen für mehr Unternehmensgründungen notwendig sind und wie alle Akteure besser miteinander verzahnt werden können. Fachleute wie Dr. Dirk Dantz von ipal, Dr. Bertram Dressel von ADT, Dr. Marco Findeisen von Witte, Weller & Partner Patentanwälte und Dr. Jörg Rauch von technology transfer heidelberg sollten helfen, den Blickwinkel auf die Themen zu erweitern. Eine Erkenntnis dieser Diskussion war, dass es bereits alle Strukturen gibt, die wir brauchen, um vom Technologietransfer zu mehr Unternehmensgründungen zu kommen: man müsse einfach mehr miteinander reden und mehr Netzwerke nutzen. Nützlich könnte beispielsweise ein Club sein, in dem alle Akteure und Bereiche – Technologietransfer, Unternehmensgründer, Erfinder, Geldgeber – vertreten sind, um die Interaktivität und die Kommunikation zu optimieren.

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