13.09.2004 | Pressemitteilung

EU-Forschungsförderung: Die Verbindung von Kompetenzen

Hochrangiger Gast aus Brüssel: Dr. Christian Patermann von der Generaldirektion Forschung der Europäischen Kommission war zu Besuch in der Region

Der neue Direktor für Landwirtschaftsforschung in der Europäischen Kommission, Dr. Christian Patermann, nutzte die Informationsveranstaltung »EU-Forschungsförderung in Lebenswissenschaften« für seinen »Antrittsbesuch« in der BioRegio STERN. Der Geschäftsführer des gemeinsamen Kompetenznetzwerks der Regionen Stuttgart, Tübingen, Esslingen, Reutlingen und Neckar-Alb Dr. Klaus Eichenberg hatte Dr. Patermann zu diesem zweitägigen Treffen eingeladen. Der Besuch Dr. Patermanns, der bei der Europäischen Kommission in der Generaldirektion Forschung für Biotechnologie, Landwirtschaft und Ernährung zuständig ist, kam durch die Vermittlung des Brüsseler Europabüros der Region Stuttgart zustande. »Die Tatsache, dass Dr. Patermann als Vertreter der Europäischen Kommission diesen Besuch ausdrücklich gewünscht hat, unterstreicht die Bedeutung der BioRegio STERN innerhalb Europas«, stellt Dr. Eichenberg zufrieden fest. Dr. Christian Patermann besuchte am 8. September 2004 zunächst das Life Science Center in Esslingen und wurde dort von Bürgermeister Bertram Schiebel, dem Leiter des neuen Studienganges Biotechnologie an der Fachhochschule Esslingen, Professor Dr. Winfried Linxweiler, und Dr. Eichenberg begrüßt. Anschließend wurden drei Biotech-Unternehmen der Region besucht.
Den Anfang machte die BioTeSys GmbH, die sich auf biologische und chemische Analysen bioaktiver Substanzen spezialisiert hat. Forschungsschwerpunkt ist hier das so genannte Nutritargeting. Dabei werden funktionale Komponenten von Substanzen und Gemischen identifiziert und auf ihre Wirkung untersucht. BioTeSys ist vor allem in den Bereichen Kosmetik und Ernährung bei Auswahl und Tests von zusätzlichen Wirkkomponenten beratend tätig. Zweite Station des Antrittsbesuchs war die Ars Arthro AG. Das Unternehmen beschäftigt sich mit Forschung, Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von humanem Gelenkknorpelersatz. Als Ausgangsmaterial zur Gewinnung des erforderlichen Collagens dienen Rattenschwänze, das Verfahren ist weltweit einmalig und bereits patentiert.
Letzte Anlaufstelle war die Biotask AG, Analyst und praxisorientierter Berater für Lebens- und Futtermittel. Hier werden Lebens- und Futtermittel auf gentechnisch veränderte Bestandteile getestet, Stoffwechselgifte von Mikroorganismen untersucht und Aktivitäten von Enzymen bestimmt. Biotask-Geschäftsführer Dipl.-Ing. (FH) Maximilan Moser erhofft sich von der Europäischen Union Impulse für die weitere Entwicklung seines Unternehmens, da einer verbesserten Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit sowie einem verstärkten Verbraucherschutz in Brüssel hohe Priorität eingeräumt wird. Auch die neuen EU-Länder müssen auf entsprechendes Niveau gebracht werden.
Dr. Patermann zeigte sich sehr interessiert und war auch mit den Problemen der Unternehmen vor Ort vertraut: Dass zu oft zunächst regional und erst dann europäisch gedacht werde, sei ihm bekannt. Dennoch sei es trotz oder gerade wegen der Komplexität von Förderungsvoraussetzungen unabdingbar, in der Forschung sehr viel mehr Partnerschaften einzugehen und bestehende Verbindungen zu intensivieren. Hier seien andere EU-Länder oft weiter. Um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA zu stärken, werde es immer wichtiger, Technologieplattformen, wie sie beispielsweise im Bereich des Flugzeugbaus bereits entstanden sind, zu etablieren. Partnerschaften und intensiver Wissensaustausch seien von existenzieller Bedeutung: »Europa ist mit 500 Millionen Menschen der kaufkräftigste Markt der Welt, angesichts dieser Zahlen wird deutlich, dass die einzelnen Regionen in verstärkten Dialog miteinander eintreten, kommunizieren und sich über Perspektiven austauschen müssen.« In diesem Zusammenhang spricht Patermann von einem europäischen Forschungsraum, der als Basis für die europäische Wissensgesellschaft und als anerkannter internationaler Wettbewerber teils noch aufgebaut, teils intensiviert werden müsse. Sein Ziel sei es, den Wissenschaftsraum Europa zu etablieren. Dabei sei die finanzielle Förderung nur ein Aspekt unter anderen. Die Arbeit wie sie von der BioRegio STERN geleistet werde, die als Kompetenznetzwerk, Anlauf- und Beratungsstelle für Existenzgründer, Unternehmer und Forscher im Bereich Biotechnologie fungiert, bilde die Grundlage für diese Entwicklung.

Auf die überragende Bedeutung des Wissens wies auch Staatsrat Professor Dr. Konrad Beyreuther in seiner Begrüßungsrede am Morgen des zweiten Besuchstages hin: »Unsere Bodenschätze sind unsere Köpfe, darin müssen wir investieren.« 50 hochkarätige Experten verfolgten mit großem Interesse das Programm der Informationsveranstaltung »EU-Forschungsförderung in Lebenswissenschaften« an der Universität Hohenheim am 9. September. Professor Dr. Hans-Peter Liebig, Rektor der Universität Hohenheim, Helmuth Haag von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, Dr. Klaus Eichenberg und Staatsrat Professor Beyreuther als Vertreter der Landesregierung eröffneten die Veranstaltung.Manchen Zuhörer überraschte Professor Liebig mit dem historischen Hinweis, dass die Universität Hohenheim im Jahr 1818 als »landwirtschaftliche Lehranstalt zur Bekämpfung des Hungers« gegründet wurde. Dr. Patermann griff diesen in seinem anschließenden Vortrag auf und kündigte an, durch den Bedeutungswandel der Ernährung werde die Universität in Zukunft der »Bekämpfung von Krankheiten« dienen. Hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten wolle der Konsument nämlich nicht nur wissen, was er isst. Wachsende Bedeutung komme Nahrungsmitteln zu, die Krankheiten vorbeugen oder diese bekämpfen. Abschließend skizzierte Patermann den derzeitigen Stand der EU-Forschungspolitik, die neben finanzieller Unterstützung und gesetzgeberischen Maßnahmen die Koordination nationaler Politiken umfasst. Welche Bedeutung die Europäische Union dem Thema Lebensmittelqualität und -sicherheit einräume, werde schon durch die Fördersummen deutlich: Das aktuelle Rahmenprogramm für den aktuellen 3. Aufruf stellt 216 Millionen Euro bereit. Der Hinweis, die Lebensmittelindustrie in Europa trage mehr zum Umsatz bei als die Automobilindustrie, dürfte viele der Anwesenden überrascht haben.