17.12.2020 | BioRegio STERN Management GmbH | Pressemitteilung

Brückenbauerin mit Grenzerfahrung

BioGrafie: Prof. Dr. Katja Schenke-Layland aus der BioRegion STERN

(Stuttgart/Reutlingen) – Prof. Dr. Katja Schenke-Layland ist seit zwei Jahren Direktorin des NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts an der Universität Tübingen in Reutlingen. Bereits seit 2011 hat sie eine Professur für Medizintechnik und Regenerative Medizin an der Eberhard Karls Universität Tübingen inne; außerdem ist sie seit diesem Jahr stellvertretende Vorsitzende der deutschen Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung. Für ihre herausragenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Tissue Engineerings und der regenerativen Medizin wurde sie mit dem Young Scientist Award der Tissue Engineering & Regenerative Medicine International Society, European Chapter, ausgezeichnet. Das Handelsblatt kürte die Forscherin, die auch Mitglied in der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) ist, zu einer von Deutschlands klügsten Innovatoren. Gemeinsam mit ihrem Mann plant die 43-Jährige eine Firma zu gründen, um Therapien voranzutreiben, mit deren Hilfe nach Herzinfarkten Gewebeschäden vermieden werden sollen. Aktuell liefert das NMI Antikörpertests für eine große bundesweite Antikörperstudie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung zu SARS-CoV-2.

Was ist die Matrix? Im gleichnamigen Science-Fiction-Film erfährt der Protagonist die Wahrheit über die Matrix nur, wenn er eine rote Pille schluckt. Für Katja Schenke-Layland ist die Frage zwar ebenso existenziell, aber die Antwort sucht die 43-Jährige im Mikroskop: Als Biologin hat sie sich in ihrer Forschung auf die sogenannte extrazelluläre Matrix (ECM) spezialisiert, also den zwischen den Zellen liegenden Gewebeanteil. Diese Strukturen sind unter anderem auch für die Entwicklung von Zellen mitverantwortlich. Im Zusammenhang mit der Entwicklung von Geweben und Organen außerhalb des Körpers – Stichwort: Tissue Engineering – sind sie von großer Bedeutung. „Man kann Gewebe nur erzeugen, wenn man weiß, wie es natürlich entsteht“, erklärt Katja Schenke-Layland. Die Professorin lehrt und forscht am Forschungsinstitut für Frauengesundheit der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen (FFG) auf dem Gebiet der Biomaterialien zum Einsatz in der Regenerativen Medizin. Sie kam mit diesem noch jungen Forschungsthema schon früh in Kontakt, als sie im Jahr 2000 an einer Klinik in Jena ein Pflegepraktikum absolvierte und ihr ein Oberarzt in der Herzchirurgie eine Doktorandenstelle anbot. Jener Oberarzt, frisch aus Harvard, USA, zurückgekehrt, hatte von dort die Idee mitgebracht, Ersatzgewebe aus patienteneigenen Zellen und Biomaterialien herzustellen. Er motivierte Schenke-Layland zu ihrer Doktorarbeit mit dem Thema „Kardiovaskuläres Tissue Engineering“ – die Herstellung von Ersatzgewebe für das Herz-Kreislaufsystem aus patienteneigenen Zellen und Biomaterialien. Ein Thema, das sie bis heute nicht mehr losgelassen hat: „Ob Bioengineering oder personalisierte Medizin, wir kommen in der Forschung nur weiter, wenn wir die Grundlagen verstehen. Ich versuche Brücken zwischen Zellbiologen, Medizinern und Ingenieuren zu schlagen.“

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Erfolgreich in der BioRegion STERN: Prof. Dr. Katja Schenke-Layland

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Bildrechte: Andreas Körner/BioRegio STERN Management GmbH

Im eigenen Thema Speerspitze sein

Dass sie sich als Brückenbauerin sieht und gerne Grenzen überwindet, hat nicht nur wissenschaftliche Gründe. Schon als Schülerin musste sie häufig erleben, was Grenzen bedeuten: „Mein Vater war gegen das DDR-Regime, er ist oft angeeckt, auch weil er als selbständiger Bäcker ein privates Geschäft betrieb. Dass die Familie durch den Mauerbau getrennt worden war, hat er dem Regime nie verziehen.“ Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Thüringen, schien für sie eine akademische Karriere vollkommen unerreichbar zu sein. „Ich hatte keine Chance, Abitur zu machen. Ich wäre niemals auf die erweiterte Oberschule gekommen, weil meine Eltern ja nicht in der Partei waren. Weil mein Vater einen Freund in den Wartburg-Werken in Eisenach hatte, wäre ich dort Kfz-Mechanikerin geworden – wenn nicht die Wende gekommen wäre.“ Von einem Tag zum anderen standen der Schülerin nach 1989 alle Möglichkeiten offen. Sie durfte nun das Gymnasium besuchen und arbeitete nebenher in einer Tierarztpraxis. Weil ihr das Studium der Tiermedizin wegen einer Katzenhaarallergie verwehrt blieb, entschied sie sich für etwas ganz anderes: „Der Studiengang ‚Biologie, Soziologie, Psychologie‘ in Jena war eine spannende Kombination aus Natur- und Geisteswissenschaften, aber er forderte ein riesiges Pensum. „25 Kommilitonen haben gleichzeitig mit mir angefangen, alle anderen haben irgendwann gewechselt.“ In ihrer Masterarbeit beschäftigte sich Schenke-Layland mit Aggressionen und ihren biologischen Ursachen – und stellte sich anschließend die Frage: „Was mache ich mit diesem Abschluss?“ Dann starb völlig überraschend ein guter Freund. „Er war jung und gesund und doch lag er plötzlich auf der Intensivstation. Da wusste ich, dass ich etwas Sinnvolles machen wollte und begann das Pflegepraktikum in der Jenaer Klinik.“ Trotz langer Nachtschichten auf der Intensivstation arbeitete sie tagsüber am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. „Die suchten einen Hiwi zum Gläserspülen im Labor und ich durfte meine erste PCR machen, das war ein Aha-Erlebnis“, beschreibt sie diese Zeit. Wenn sie heute gefragt wird, ob ihre Karriere das Ergebnis eines Planes ist, winkt sie ab: „Ich habe einfach immer das gemacht, was ich wirklich wollte und ich hatte oft das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und die richtigen Unterstützer zu haben.“ Sich selbst würde sie bei diesem Vorgehen als „unschüchtern“ bezeichnen. „Ich habe immer den Mut gehabt, zu fragen.“ Karriere habe immer etwas mit Durchsetzungskraft zu tun, trotzdem sei sie eine überzeugte Teamarbeiterin. Für sie kein Widerspruch: „Im Labor arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam, aber im eigenen Thema muss man die Speerspitze sein, nicht nur beitragen, sondern Türen öffnen und Grenzen überwinden.“ Seit 2018 ist sie nun Institutsdirektorin eines der führenden außeruniversitären Forschungsinstitute im Bereich der Gesundheitswirtschaft in Baden-Württemberg. Das NMI mit rund 200 Mitarbeitenden und 15 Millionen Euro Jahresumsatz betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften und entwickelt Zukunftstechnologien unter anderem für die Personalisierte Medizin. Hier muss sie tatsächlich alles können: Türen öffnen, Brücken bauen und Speerspitze sein.

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Prof. Dr. Katja Schenke-Layland, Brückenbauerin mit Grenzerfahrung

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