Das Team des neuen Startups aus Tübingen bietet eine schnelle und standortunabhängige Befundung durch Expertinnen und Experten an. Bei Bedarf erfolgt eine zusätzliche konsiliarische Beratung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie die Vermittlung von EEG-Systemen, die einfach zu handhaben sind. Die Kombination aus einfacher Handhabe sowie cloud-basierter telemedizinischer Auswertung erlaubt den Einsatz der Diagnostik auch an Standorten ohne eigene EEG-Expertise innerhalb weniger Minuten. Die Untersuchungsergebnisse können, natürlich datenschutzrechtlich abgesichert, für alle (Patienten, Hausärzte etc.) und überall (Praxis, zu Hause etc.) zugänglich gemacht werden. Die Geschichte von Dr. Lang und Prof. Dr. Marquetand ist eine von zahlreichen erfolgreichen StartUp Stories in der BioRegion STERN.
Alltag in der Notaufnahme: Eine bewusstlose junge Frau in der 26. Schwangerschaftswoche wird mit Verdacht auf einen epileptischen Anfall eingeliefert. Ein CT ist wegen der Strahlenbelastung nicht möglich, ein MRT steht nicht ohne Weiteres zur Verfügung. Die schnellste und einfachste Methode, um gefahrlos eine Diagnose stellen zu können, wäre ein EEG. Vor über 100 Jahren erfunden, ermöglicht das EEG, die elektrischen Ströme des menschlichen Gehirns darzustellen. Tatsächlich wird es aber in Deutschland nicht in allen Kliniken angeboten. Um die „Hirnstromkurven“ auszuwerten, die aus zahlreichen Wellenmustern bestehen, bedarf es großer Erfahrung: Der Verlauf der Wellen gibt Auskunft über die Aktivitäten der Nervenzellen in einer der unterschiedlichen Hirnregionen. Dr. Johannes Lang und Prof. Dr. Justus Marquetand haben die Cerebri GmbH gegründet, um diese völlig schmerzfreie und ungefährliche Untersuchung jedermann zugänglich zu machen. Sie entwickeln, gemeinsam mit Partnern aus der Medizintechnik, nicht nur neue Messkappen, die auch von Laien angelegt werden können. Sie arbeiten vor allem an der telemedizinischen Dienstleistung, damit die Befundung mit Unterstützung von KI durch Spezialisten von überall und zeitnah zur Verfügung steht.
Die Idee – Wie kam es zur Gründung?
Die Gründer begegneten sich zum ersten Mal bei einer Fachtagung für Epilepsie. Ein Thema, mit dem sich Dr. Lang am Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Erlangen und Dr. Marquetand in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen bereits intensiv beschäftigten. „Wir waren beide in der Klinik und der Wissenschaft sehr aktiv, und irgendwann fällt einem dann auf, wer noch besonders umtriebig ist“, erinnert sich Dr. Marquetand. Beim fachlichen Austausch stellten die beiden Neurologen fest, dass sie die gleiche Begeisterung teilten – aber auch den gleichen Frust. „Wir haben in Zentren, sozusagen ‚Elfenbeintürmen‘ der Epilepsie-Diagnostik, gearbeitet, viele Stunden nur mit Befundung verbracht und auf Grund unserer Expertise auch andere Fachleute ausgebildet“, erklärt Dr. Lang. „Im Rahmen unserer konsiliarärztlichen Arbeit außerhalb unserer Zentren mussten wir jedoch feststellen, dass es in vielen deutschen Kliniken, und ganz besonders im Nachtdienst oder am Wochenende, nahezu unmöglich ist ein EEG aufgezeichnet oder vernünftig befundet zu bekommen.“ Die beiden Mediziner hatten – zunächst unabhängig voneinander – ähnliche Ideen, um dieses Problem zu lösen, und sie erkannten, dass ihre Ideen gemeinsam zu einem Unternehmen führen könnten. „Wir haben viele Gespräche geführt, auch mit anderen Startups und Fachleuten, beispielsweise von der BioRegio STERN Management GmbH“, erzählt Prof. Dr. Marquetand. „Unsere Vision war von Anfang an, dass ein diagnostisch brauchbares EEG und ein Expertenbefund für alle rund um die Uhr verfügbar sein sollen. Und so haben wir uns entschieden, unsere bisherige Arbeit in Klinik und Forschung stark zu reduzieren, um die Cerebri GmbH zu gründen. Damit sind wir schon ein Risiko eingegangen.“ Ihre Idee überzeugte jedoch auf Anhieb: Beim Science2Start Ideenwettbewerb 2023 erreichte sie den zweiten Platz. Die Standortentscheidung, Cerebri in der BioRegion STERN anzusiedeln, war einfach. „Tübingen ist für uns die ideale Wahl. Hier gibt es eine hervorragende Infrastruktur und auch bezüglich des Themas KI sind wir hier mit dem Cyber Valley ideal vernetzt“, erklärt Dr. Lang.
Der „Need“ – Wer profitiert von der Idee?
Etwa zwei Millionen EEGs werden in deutschen Krankenhäusern pro Jahr aufgezeichnet. Der tatsächliche Bedarf sei aber mindestens doppelt so hoch, schätzt Prof. Dr. Marquetand. Denn die Untersuchung kommt ja nicht nur bei Menschen mit Epilepsie zum Einsatz. Sie wird auch bei Demenz und Koma oder zur Differentialdiagnostik bei unklaren Bewusstseinsstörungen angewendet. Aber nur, wenn das entsprechende Fachpersonal verfügbar und in der Nähe sei, kritisiert Dr. Lang: „Wenn eine Klinik ein EEG aufzeichnet, kann kein Experte außerhalb der Klinik darauf zugreifen. Es gibt keine Schnittstellen; was auf einem lokalen PC liegt, kann nicht geteilt werden. Weil von den Befunden aber nicht selten wichtige diagnostische und therapeutische Entscheidungen abhängen, werden in der Realität aus der Not heraus ausgedruckte oder mit dem Smartphone abfotografierte EEG-Kurven zwischen Medizinern verschickt. Das passiert jeden Tag hundertfach in Deutschland, obwohl es natürlich datenschutzrechtlich ein No-go ist.“
Dr. Johannes Lang, Gründer der Cerebri GmbH
/ Copyright: Cerebri GmbHDass die Digitalisierung des Gesundheitswesens nur schleppend vorangeht, ist für viele Patientinnen und Patienten ein großes – teilweise lebensbedrohliches – Problem, das Cerebri lösen will. „EEG ist eine elegante und simple Technik. Sie bietet die Möglichkeit, in Echtzeit die Hirnfunktion zu beurteilen und Therapieeffekte zu überwachen. Was passiert in diesem Hirn gerade? Warum wird der Patient nicht wach? Funktioniert eine bestimmte Hirnregion nicht mehr? Wir wollen nahezu ‚jedermann‘ diese EEG-Diagnostik innerhalb kürzester Zeit bei gleichzeitiger Ressourcen- und Kosteneinsparung ermöglichen.“ Neben einer verbesserten Verfügbarkeit, insbesondere für strukturschwache Regionen, sehen die Gründer ein hohes Einsparpotenzial bei Transfer- und Behandlungskosten in Praxen und Krankenhäusern. Außerdem bietet die Telemedizin in Zeiten von Personalmangel eine ideale Möglichkeit, die Expertise hochqualifizierter Mediziner im gesamten Bundesgebiet verfügbar zu machen, weil sie den Expertinnen und Experten erlaubt aus dem Homeoffice zu arbeiten.
Der USP – Was ist die Innovation?
Das EEG wollen die Gründer natürlich nicht neu erfinden. Aber sie wollen die etablierte – und aus ihrer Sicht unterschätzte – Untersuchungsmethode als Standard im Gesundheitswesen etablieren. Damit EEG zukünftig so einfach wie EKG werden, die inzwischen schon von Uhren am Handgelenk erstellt werden können, entwickeln sie zum einen gemeinsam mit Medizintechnikern neue Messkappen. „Die üblichen Modelle sind bisher sehr aufwändig zu handhaben. Auch erfahrenes Personal benötigt mehrere Minuten, bis die Kappe mit den zahlreichen Elektroden korrekt auf dem Kopf platziert ist“, erläutert Prof. Dr. Marquetand. „In naher Zukunft sollte jeder auch ohne Vorwissen ein EEG anlegen können.“ Die zweite Innovation ist die Schnittstelle für Daten und Befunde. Wer heute zum Radiologen geht, erhält einen Link, mit dem der weiterbehandelnde Arzt die Bilder einsehen kann. Was in der Bildgebung längst selbstverständlich ist, gibt es für EEG bisher schlichtweg nicht.
Prof. Dr. Justus Marquetand, Gründer der Cerebri GmbH
/ Copyright: Cerebri GmbH„Die Cerebri Cloud ermöglicht den sicheren Transfer von der Aufzeichnung zur Auswertung und zurück zum Patienten. Neurologen und Neurologinnen können standortunabhängig auf die Daten zugreifen und bei Bedarf auch weitere Untersuchungen initiieren und sich mit Kollegen austauschen.“ Und schließlich verändern sie auch die Art der Auswertung des EEG: „Die Experten sollen von KI unterstützt und nicht ersetzt werden“, stellt der Mediziner klar. „Aber EEG-Auswertung ist letztlich Mustererkennung. Und zuverlässig erkenne ich diese Muster erst, wenn ich in meiner medizinischen Laufbahn jahrelang mehrere Kilometer Kurven ausgewertet habe. Nicht jeder Kollege muss das perfekt können, wir bieten ihm den Rundum-Komplett-Service.“ Den Neurologen geht es dabei weniger um die Geschwindigkeit, sie sorgen sich vor allem um die Qualität der Befundung, die sie mit Cerebri gewährleisten wollen. „Die Leistungen, die Patienten in den Zentren, also den EEG-Elfenbeintürmen, erhalten, wollen wir ihnen direkt vor Ort in den Intensivstationen und Notaufnahmen der ganz normalen Krankenhäuser ermöglichen.“ Die Cerebri GmbH ermöglicht, dass hochspezialisierte Fachkräfte, die nicht vor Ort sind, befunden können. Das ist nicht nur eine Antwort auf den allgegenwärtigen Personalmangel. Es berücksichtigt neue Lebensrealitäten und ermöglicht flexible Arbeitsmodelle, etwa Homeoffice oder Teilzeit, bei gleichzeitiger Work-Life-Balance.
„Milestones“ – Wie geht es weiter?
Work-Life-Balance ist für die beiden Gründer selbst derzeit kein Thema. Jetzt steht der erste Vertrag mit einer Pilotklinik an: Ende des Jahres wird die Neurologie des Klinikums Rosenheim das Cerebri-System implementieren. „Das System ist anwendungsreif und weitere Interessenten sitzen in den Startlöchern; unser Ziel ist es, uns in den nächsten Monaten einen Kundenstamm aufzubauen“, erläutert Dr. Lang. Aktuell wird das fünfköpfige Team noch durch Eigenkapital und Förderung finanziert, dies könnte sich aber bald ändern. „Wir konzentrieren uns auf Kliniken, die keine große Neurologie, aber auf ihren Intensivstationen und in den Notaufnahmen Bedarf an EEG haben. Die Herausforderung liegt dabei häufig im Detail. Wenn beispielsweise die IT-Abteilungen der Krankenhäuser mit den Schnittstellen und den telemedizinischen Anwendungen fremdeln und keiner die Verantwortung übernehmen will, dann ist das der frustrierende Teil unserer Arbeit.“ Mittelfristig sollen auch niedergelassene Neurologen adressiert werden, um letztendlich Home Monitoring bzw. Home Diagnostic anbieten zu können. „Die EEG-Elektroden könnten grundsätzlich auch in Kopfhörer oder ähnliches integriert werden, um Langzeitaufzeichnungen zu erstellen.“ Epilepsie trifft etwa ein Prozent der Bevölkerung. Diese Patientengruppe ist sehr heterogen und entsprechend viel lässt sich allein über die Krankheit durch Ausweitung von EEG-Untersuchungen noch lernen, da sind sich die Wissenschaftler einig. „EEG kann so viel mehr. Wir müssen nur dafür sorgen, dass es allen und überall zur Verfügung steht“, postuliert Dr. Marquetand. „Wir arbeiten mit Cerebri an der Demokratisierung des EEG.“
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