Kollagen: Forschende am NMI entschlüsseln Funktionsweise in der medizinischen Behandlung
Bereits seit den 1990er Jahren wird Kollagen in der Augenheilkunde eingesetzt, besonders in der Behandlung von Defekten der Hornhaut. Warum und wie diese Technik funktioniert, war allerdings nur theoretisch klar. Forschende des NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts in Reutlingen um Lu Fan haben die nötigen Belege gefunden und können die Wirkweise dieser Technik jetzt zuverlässig erklären. „Unsere Ergebnisse schließen eine regulatorische Lücke und eröffnen zugleich neue Chancen in der Anwendung von Kollagen, auch über die Augenheilkunde hinaus“, erklärt Wissenschaftlerin Lu Fan.
Kollagen: Viele Einsatzorte, viele Chancen
Kollagen ist das häufigste Protein im Körper von Tieren, einschließlich des Menschen. Es spielt unter anderem im Aufbau von Knochen, Zähnen, Sehnen, Bändern und Haut eine wichtige Rolle. Die Wissenschaft sieht die Chance, defekte Stellen mit Kollagen gewissermaßen zu „reparieren“. Für die Behandlung einer defekten Hornhaut wird das sogenannte UV-Kollagen-Crosslinking (CXL) angewendet. Dafür wird die Hornhaut zunächst mit Riboflavin (auch bekannt als Vitamin B2) behandelt und die Stelle dann mit UVA-Licht bestrahlt. Dadurch entstehende freie Radikale sorgen dann dafür, dass zusätzliche Vernetzungen innerhalb der Kollagenfasern der Hornhaut entstehen; diese wird dadurch stabiler.
Behandlungen werden präziser, zuverlässiger, schonender – auch an mehr Körperteilen?
„Diese Erkenntnisse erlauben es uns, die Behandlung zu optimieren, also zugleich zuverlässiger und schonender zu machen“, beschreibt Xin Xiong, NMI-Wissenschaftler aus dem Team der Forschenden. Durch die nun mögliche präzisere Dosierung werden gleichzeitig die potentiellen Risiken minimiert. Die Forschenden blicken aber bereits über die Behandlung der Hornhaut hinaus. Da Kollagen in vielen Körperteilen vorkommt, könnte darin auch Potential für die Behandlung weiterer Krankheiten liegen. Diese Reparatur bzw. die Regeneration von kollagenbasiertem Gewebe scheint etwa in der Wundheilung, bei Knochenersatz, in der Zahnmedizin und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen denkbar. Dafür ist jedoch weitere Forschung nötig.
MIK als Partner von KMU
Die Ergebnisse sind auch ein Erfolg für das MDR- & IVDR-Kompetenzzentrum (MIK) von NMI und Hahn-Schickard. Ziel des MIK ist unter anderem, noch nicht verfügbare Analytik- und Prüfmethoden zu entwickeln sowie Unternehmen bei der Entwicklung von innovativen Ideen bis hin zu ihrer Zertifizierung zu unterstützen. Das MIK entstand als Reaktion auf verschärfte Regeln über Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR), die besonders kleine und mittlere Unternehmen der Branche vor große Herausforderungen stellen. Das MIK wurde initial gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg.
Link zum Paper von Lu Fan et al.: https://doi.org/10.1002/adfm.202401742
https://www.nmi.de/aktuelles/detail/kollagen-forschende-am-nmi-entschluesseln-funktionsweise-in-der-medizinischen-behandlung