Funktionalisiertes Chitosan als biobasiertes Flockungsmittel für die Aufbereitung komplexer Abwässer
Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben ein biobasiertes und funktionalisiertes Flockungsmittel entwickelt, mit dem sich Abwässer mit komplexen Inhaltsstoffen effizient aufreinigen lassen. Dabei sorgt das Enzym Laccase in einer Matrix aus Chitosan zusätzlich dafür, dass toxische Phenole aus dem Wasser entfernt werden. Das neue abbaubare funktionalisierte Flockungsmittel LaChiPur wird erstmals vom 13. bis 17. Mai 2024 auf der IFAT in München vorgestellt.
Mit der Flockung werden in der Abwasserreinigung und Wasseraufbereitung feinste Feststoff-Verunreinigungen abgetrennt. Flockungsmittel bewirken dabei, dass Schwebstoffe zu größeren Flocken agglomerieren, welche zu Boden sinken oder abfiltriert werden können – das Wasser wird wieder klar. Zur Entfernung von Huminstoffen in der Trinkwasseraufbereitung oder zur Aufbereitung von Prozesswasser in der Papierherstellung kommen häufig anorganische Metallsalze zum Einsatz, etwa Eisen- oder Aluminiumsulfate und -chloride, ebenso bei der Fällung von Phosphor in kommunalen Kläranlagen. Teilweise werden zusätzlich polymere Flockungsmittel, aus fossilen Rohstoffen hergestellte synthetische Polymere, hinzugeben. Der Nachteil herkömmlicher Methoden liegt auf der Hand: Aufgrund der zugesetzten Chemikalien oder Polymere kann der resultierende Schlamm nicht weiterverwendet, sondern muss aufwendig entsorgt werden.
Aus diesem Grund setzen Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB auf natürliches und vollständig biologisch abbaubares Chitosan. Es wird aus dem nachwachsenden Rohstoff Chitin gewonnen, der als strukturelle Komponente in den Schalen von Krustentieren, Panzern und Häuten von Insekten und in Pilzen enthalten ist. Damit ist Chitin – nach der aus Pflanzen stammenden Cellulose – das zweithäufigste natürliche Polymer auf der Erde.
Neue Technologie mit natürlichen biobasierten Rohstoffen
Tatsächlich wird Chitosan auch heute schon zur Klärung von Schwimmbecken und Teichen angeboten. Die Fraunhofer-Forscher gehen aber einen Schritt weiter und funktionalisieren Chitosan zusätzlich mit dem Enzym Laccase. Das Enzym ist in vielen Pflanzen, aber auch in Pilzen und Bakterien, zu finden. In der Natur sind Laccasen an der Vernetzung aromatischer Monomere zu Lignin wie auch an dessen Abbau beteiligt. Ihre Eigenschaft, Phenole und andere phenolische Substanzen zu oxidieren, macht sie für verschiedene industrielle Anwendungen gefragt, von der Entfernung toxischer Phenole in Fruchtsäften, über die Entfärbung von Textilabwässern bis zum Abbau von Schadstoffen in Wasser und Boden.
»Wir hatten die Idee, dass Laccase – gebunden an Chitosan als Matrix – auch für komplexe Abwässer, wie sie bei der Herstellung von Wein oder Olivenöl anfallen, geeignet sein könnte«, sagt Dr. Thomas Hahn, der am Fraunhofer IGB seit Langem an der Aufbereitung von Chitin aus den verschiedensten Abfallströmen und der nachfolgenden Konversion zu Chitosan forscht. Nach der Weinlese stoßen kommunale Kläranlagen schnell an ihre Grenzen, wenn in kurzer Zeit das drei- bis vierfache Volumen an Abwasser die vorwiegend kleinen Kläranlagen in ländlichen Weinbaugebieten erreicht. »Die Phenole im Abwasser wirken toxisch auf die Bakterien im Belebungsbecken. In der Folge muss die Belüftung erhöht werden, sodass der Energiebedarf der Kläranlage signifikant steigt«, weiß Marc Beckett, Experte im Bereich Wassermanagement und Wasseraufbereitung am IGB. In Olivenölmühlen werden die Waschabwässer gar in große Sammelbecken geleitet, wo das Wasser im Laufe der Zeit verdunstet und einen für Flora und Fauna giftigen Schlamm zurücklässt.
Aus der Idee wurde ein zweijähriges Fraunhofer-Forschungsprojekt, das bis Dezember 2023 im Programm »Schnelle Mittelstandsorientierte Eigenforschung (SME)« gefördert wurde. Beteiligt war auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam, dessen Part die Funktionalisierung des Chitosans mit Laccase war. Um die Wirkung des mit Laccase funktionalisierten Chitosans mit realen Abwässern überprüfen zu können, etablierten die Forschenden im IGB zunächst die entsprechende Methodik und Analytik. »Eine der Herausforderungen war, das polymere Chitosan in Lösung zu bringen, damit es überhaupt als Flockungsmittel dosiert werden und seine Wirkung zur Bindung von Polyphenolen, Tanninen und Gerbstoffen entfalten kann«, erinnert sich Hahn. »Da für die Laccase ein leicht saures Milieu optimal ist, haben wir für die typischen Abwässer aus der Wein- oder Olivenölherstellung gleich sehr gute Ergebnisse erzielt«, so der Chemiker.
Auch phenolische Inhaltsstoffe werden abgetrennt
»Unsere Technologie weist für komplexe agroindustrielle Abwässer eine Flockungsleistung auf, die mit der von herkömmlich eingesetzten metallsalzhaltigen Koagulationsmitteln oder synthetischen polymeren Flockungsmitteln vergleichbar ist. LaChiPur, wie wir unser funktionalisiertes Produkt nennen, ist aber vollständig biobasiert und lässt sich somit biologisch abbauen«, fasst Beckett, Biologe und Umweltwissenschaftler, zusammen. Die Kombination mit Laccase erwies sich bei diesen Abwässern als echter Vorteil, da das funktionalisierte Chitosan nicht nur als Flockungsmittel eingesetzt werden kann, sondern gleichzeitig auch Phenole oxidiert werden, polymerisieren und ebenfalls sedimentieren.
Regionale Herstellung und vielfältige Anwendungen
Weitere Vorteile der neuen umweltfreundlichen Technologie: Der Ausgangsstoff Chitin fällt lokal in der Lebensmittel- oder Biotechnologieindustrie in großen Mengen als Abfallstoff an. Dies gewährleistet nicht nur eine wirtschaftliche Herstellung, sondern auch Versorgungssicherheit – ohne die Abhängigkeiten verflochtener internationaler Lieferketten. Wird der nach der Flockung entstehende abbaubare Schlamm in Kläranlagen vergärt, kann dies die Biogasausbeute sogar deutlich erhöhen.
»Dank unserer interdisziplinären Expertise können wir in Industriebetrieben anfallende Abwässer und Prozesswässer nun bei uns im Labor daraufhin untersuchen, mit welchem Ergebnis das mit LaChiPur behandelte Wasser gereinigt wird«, so Hahn und Beckett. Aufgrund der ersten vielversprechenden Ergebnisse wollen die Forscher ihre Technologie darüber hinaus mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Flockungsmittel vertreiben oder herstellen, weiter optimieren, in einen größeren Maßstab überführen und in die industrielle Anwendung bringen. »LaChiPur eignet sich ebenso als Filtermaterial und weist Eigenschaften von Fällmitteln auf. Daher wollen wir unser Produkt auch für den Einsatz in der Phosphorfällung weiterentwickeln. Aufgrund seiner Eigenschaften ist es zudem für die Reinigung von Textilabwässern oder den Einsatz in der Trinkwasseraufbereitung interessant«, sind die IGB-Wissenschaftler überzeugt. Vom 13. bis 17. Mai 2024 präsentieren sie LaChiPur am Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Allianz SysWasser in Halle B2, Stand 338 auf der IFAT in München.
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