Neuer Stoffwechsel-Sensor kann Hinweise auf Entartung von Zellen geben

Forscher der Universität Tübingen sehen darin das Potenzial für ein Werkzeug, das Erfolg oder Misserfolg einer Krebsbehandlung anzeigen kann

Eine Drehscheibe im Stoffwechsel ist der Citratzyklus, der beim Abbau der Nahrungsstoffe Energie und Bausteine für Synthesen in der Zelle bereitstellt. Ein Zwischenprodukt des Zyklus, das 2-Oxoglutarat, hat sich als zentrales Bindeglied und Stellschraube zwischen dem Kohlenstoffkreislauf und der Proteinherstellung erwiesen. Sein Pegelstand entscheidet darüber, wann und wie sich eine Zelle spezialisiert oder ob sie entartet, was zur Entstehung von Krebs führen kann. Wie sich die Konzentration an 2-Oxoglutarat zeitabhängig verändert, ließ sich bisher nur unzureichend verfolgen. Damit haben sich Forscherinnen und Forscher des Interfakultären Instituts für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen unter der Leitung von Professor Karl Forchhammer in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Krebsforschung und der Universität Heidelberg näher befasst. Nun ist es ihnen gelungen, einen Sensor für 2-Oxoglutarat zu entwickeln, der die Konzentration direkt in der Zelle misst. Künftige Einsatzbereiche sehen die Forscher beim Wirkstoffscreening und für die Überprüfung, ob eine Krebsbehandlung anschlägt. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

Forschern stehen immer bessere Methoden zur Verfügung, um den physiologischen Zustand einer Zelle zu messen. Doch häufig haben diese den Nachteil, dass die Stoffwechselprodukte, die gemessen werden sollen, dafür aus der Zelle extrahiert werden müssen. Daher konzentrierte sich das Forscherteam um Karl Forchhammer auf die Entwicklung eines Proteinsensors, mit dem Live-Messungen möglich sind. Als Ausgangspunkt wählten sie ein Protein aus dem Bakterium Synechococcus elongatus mit der Bezeichnung PII, das 2-Oxoglutarat binden kann und innerhalb der Zelle für die Weiterleitung bestimmter Signale sorgt. In Abhängigkeit von der Konzentration des 2-Oxoglutarats verändert das Protein seine Struktur. Das Forscherteam musste nun dafür sorgen, dass es von der normalen Signalweiterleitung entkoppelt wird. Stattdessen verbanden sie PII mit einem weiteren Protein, das durch die Strukturänderung zur Ausstrahlung von fluoreszierendem Licht angeregt wird. Die Intensität der Fluoreszenz können die Forscher messen und zum Beispiel in Zell- und Gewebeproben die fluoreszierenden Zellen unter einem speziellen Mikroskop untersuchen.

In ersten Versuchen mit menschlichen Zellkulturen hat sich der neue Sensor für 2-Oxoglutarat bereits als funktionstüchtig erwiesen. Die Forscher glauben, dass er für den Einsatz in der Wirkstoffprüfung und Medizin weiterentwickelt werden kann. Beim Einsatz neuer Wirkstoffe könnte eine Veränderung des 2-Oxoglutarat-Pegels die Bildung von Krebszellen anzeigen; in der Medizin wiederum ließe sich bei einer Krebsbehandlung verfolgen, ob sich tatsächlich der Pegel ändert und die Behandlung anschlägt.

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Das Sensorprotein bindet 2-Oxoglutarat und ändert dadurch seine Struktur. Daraus resultiert eine messbare Änderung der Fluoreszenz. Abbildung: Karl Forchhammer

<p><strong>Kontakt</strong>:<br/>
Prof. Dr. Karl Forchhammer<br/>
Universität Tübingen<br/>
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin<br/>
Telefon +49 7071 29-72096<br/>
karl.forchhammer[at]uni-tuebingen.de</p>

Publikation:
Publikation: Jan Lüddecke, Liliana Francois, Philipp Spät, Björn Watzer, Tomasz Chilczuk, Gernot Poschet, Rüdiger Hell, Bernhard Radlwimmer, Karl Forchhammer: PII Protein-Derived FRET Sensors for Quantification and Live-Cell Imaging of 2-Oxoglutarate. Scientific Reports, 3. Mai 2017, www.nature.com/articles/s41598-017-01440-w.
Quelle:
http://www.uni-tuebingen.de/aktuell