06.12.2016 | News

Kleine Löcher mit großer Wirkung

Lasergebohrte Spinndüsen für Cellulosefasern mit neuen Eigenschaften

In grellgrünem Laserlicht erstrahlt eine rund vier Millimeter dicke Scheibe aus Edelstahl. Mit hoher Energie bohrt sich der ultrakurz gepulste Laserstrahl in die Oberfläche des Metalls, immer wieder, bis eine Vielzahl von Löchern entstanden ist.

Was hier am Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW) der Universität Stuttgart entsteht, ist das Resultat eines gemeinsamen Forschungsprojektes zusammen mit dem Institut für Textilchemie und Chemiefasern (ITCF) in Denkendorf: Spinndüsen mit Löchern von 30 – 40 μm Durchmesser, die weit feiner sind als ein menschliches Haar und für die Herstellung von hochfeinen cellulosischen Fasern, sogenannten Mikro- oder Supermikrofasern, eingesetzt werden.

Mikrofasern sind Fasern aus verschiedenen Polymeren, die feiner sind als 1dtex. Das ist ein Maß für die Feinheit einer Faser, welches die längenbezogene Masse eines Einzelfadens angibt. Dabei entspricht 1dtex einem Gramm auf 10.000 m Faserlänge. Als Supermikrofasern werden solche bezeichnet, deren Feinheit sogar 0,3 dtex unterschreitet. Der Durchmesser solcher Fasern entspricht etwa 3 μm. Derartige Fasern haben eine besonders große Oberfläche. Durch hohe Feuchtigkeitsabsorption und weichen Griff der aus ihnen hergestellten textilen Produkte sind sie besonders geeignet für die Verwendung im Hygiene- und Medizinbereich. Im industriellen Sektor finden Sie Anwendung als technische Textilien, z.B. als Filtermedien, prädestiniert durch ihre Feinheit und hohe Festigkeit.

Neue Wege für die Herstellung von Mikrofasern

Üblicherweise werden Mikrofasern in einem zweistufigen Prozess erzeugt: Das faserbildende Polymer wird zusammen mit einem Matrixpolymer versponnen, das die Fadenbildung mechanisch stabilisiert. Aus diesen sogenannten Bikomponentenfasern wird in einem zweiten Schritt der Matrixanteil chemisch abgelöst. Der verbleibende Teil bildet die hochfeine Faser.

Für die Herstellung cellulosischer Fasern ist dieses Verfahren nicht anwendbar. Cellulose ist nicht schmelzbar. Sie wird im Nassspinnverfahren ausgesponnen. Dabei wird die in ionischer Flüssigkeit gelöste Cellulose durch eine Spinndüse gepresst, hinter der sie in einem Fällbad zur festen Faser ausgefällt wird. Die Feinheit der Fasern ist maßgeblich durch die Größe der Löcher in der Spinndüse begrenzt. Und hier kommen die Vorteile der lasergebohrten Düsen zum Tragen. Denn die etablierten Bohrtechniken wie Mikrostanzen, mechanisches Bohren oder Funkenerosion ermöglichen es nicht, derart feine Löcher zu erzeugen.

Am ITCF in Denkendorf hat man inzwischen nicht nur die Optimierung der Spinndüsen vorangetrieben, sondern mit dem Trocken-Nassspinnverfahren auch Cellulose-Mikrofasern mit völlig neuen Eigenschaften erschaffen: „Die textilmechanischen Eigenschaften unserer Fasern konnten wir im Vergleich zu solchen im Nassspinnverfahren erzeugten Cellulosefasern deutlich verbessern“ erläutert Dr. Johanna Spörl, Chemikerin am ITCF. „In nächsten Schritten werden wir in Zusammenarbeit mit dem IFSW weitere Düsengeometrien verwirklichen, die unsere Fasern um weitere Eigenschaftsprofile bereichern werden“.

Das Entwicklungsprojekt ist ein gelungenes Beispiel für einen befruchtenden interdisziplinären Austausch. Dass am Ende dieser Zusammenarbeit Produkte stehen, die Industrie und Verbrauchern gleichermaßen von Nutzen sind, lässt den Erfolg dieser Kooperation für sich sprechen.

laserbohrung_von_spinnduesen

Laser mit Wendelbohroptik in Betrieb.

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Foto: IFSW
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Lasergebohrte Spinndüse aus 3 mm starkem Siliziumnitrid.

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Foto: ITCF Denkendorf
Quelle:
www.itcf-denkendorf.de