Emmy Noether-Projekt für Tübinger Neurowissenschaftlerin

Neurobiologin erhält 1,3 Millionen Euro – Projekt zu Bildgebung im Nanometer-Bereich

Dr. Ivana Nikić vom Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) der Universität Tübingen hat sich erfolgreich um eine Nachwuchsgruppe im Rahmen des Emmy Noether-Programms der DFG beworben. Sie wird die Fördersumme von 1,3 Millionen Euro über fünf Jahre verwenden, um ihre Forschungen zur Bildgebung entzündlicher Erkrankungen des Zentralnervensystems im Nanometer-Bereich voranzutreiben.

Super Resolution Microscopy (Ultrahochauflösende Bildgebung; SRM) ist eines der vielversprechendsten Felder in der modernen Molekularbiologie. Sie erlaubt Aufnahmen im Nanometer-Bereich, z.B. Bilder von einzelnen Molekülen. Damit ist ihr Potenzial zwar noch schwer zu beziffern, aber mit Sicherheit gewaltig. Die Entwicklung der SRM brachte ihren Erfindern Eric Betzig, William E. Moerner und Stefan Hell 2014 den Nobelpreis für Chemie ein. Nun konnte die Universität Tübingen eine Nachwuchswissenschaftlerin gewinnen, die SRM mit modernen biochemischen Techniken zur Markierung von Proteinen (Protein-Labeling) verbindet, um entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems – beispielsweise Multiple Sklerose (MS) – besser zu verstehen: Dr. Ivana Nikić, zuletzt am EMBL in Heidelberg, nun ein Mitglied des CIN, Exzellenzcluster der Universität Tübingen.

Nikić baut derzeit ihr Labor in Tübingen auf. Am CIN wurde gerade ein Mikroskop installiert, das in der Lage ist, Bilder mit “super”-hohen Auflösungen um 20 Nanometer zu erzeugen, ein N-STORM von Nikon. Auch sonst hat die Nachwuchsgruppenleiterin noch nicht alle Ausrüstung und all ihr Personal beisammen. Mit der Fördersumme von 1,3 Millionen Euro durch das Emmy Noether-Programm wird sie weitere Laborausstattung und Personal finanzieren.

Nikić hat nun vor, ihre Forschungen auf dem Gebiet der Axonschädigung bei neuroentzündlichen Erkrankungen voranzutreiben. Axone sind lange Fortsätze von Nervenzellen, über die diese mit anderen Nervenzellen kommunizieren und weit voneinander entfernt liegende Hirnbereiche verbinden. Axone sind sehr anfällig für Angriffe von Immunzellen beim Auftreten einer entzündlichen Erkrankung im Zentralnervensystem wie beispielsweise MS, wodurch Hirnfunktionen teils massiv beeinträchtigt werden. Ivana Nikić wird sich auf eine von ihr entdeckte Form neuroentzündlichen Axonschadens konzentrieren, die Fokale Axonale Degeneration (FAD). Da FAD in frühen Stadien bis zu einem gewissen Grade reversibel ist, knüpft sich an die Erforschung ihrer Mechanismen auf der molekularen Ebene die Hoffnung, diese und andere Formen neuroentzündlichen Axonschadens bekämpfen zu können.

Mehr und tiefergehende Forschung zu wenig verstandenen neuroentzündlichen Erkrankungen wie MS ist dringend geboten. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass eine junge Biologin, die dieses Feld bearbeitet, von der DFG bei der Mittelvergabe berücksichtigt wird. In Anbetracht der strengen Kriterien für die Antragstellung und der hohen Ablehnungsquote (ca. 80% laut DFG) stellt die gelungene Einwerbung einen beachtlichen Erfolg dar.

Ivana Nikić selbst bleibt gelassen: “Natürlich freue ich mich riesig, es ist eine große Ehre für mich und eine großartige Gelegenheit! Ich will meine Arbeitsgruppe auf den Weg bringen, und das Emmy Noether-Programm gibt mir dabei große finanzielle Freiheiten. Dafür bin ich extrem dankbar. Jetzt ist es Zeit, an die Arbeit zu gehen.”

Dr. Ivana Nikić, geboren 1981 in Belgrad, studierte Molekularbiologie und Physiologie in Belgrad. 2011 erwarb sie an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) den Doktortitel in Humanbiologie für ihre Arbeit zu Schäden an Axonen im Zusammenhang mit Multipler Sklerose. Für diese Arbeit erhielt sie 2012 den Dr. Hildegard und Heinrich Fuchs Preis zur Förderung des medizinischen Nachwuchses, der jährlich für die beste Dissertation der Medizinischen Fakultät der LMU verliehen wird. Von 2012 bis 2016 war sie Postdoctoral Fellow am EMBL, Heidelberg und hielt dort ein EMBO Long-Term Fellowship und ein Marie Curie IntraEuropean Fellowship.

Emmy Noether (1882–1935) war eine berühmte Mathematikerin des 20. Jahrhunderts. Nach ihr ist ein Theorem benannt, das ein wichtiges Fundament der mathematischen Physik darstellt; sie war die erste deutsche Mathematikerin, die sich habilitieren konnte. Dennoch erhielt sie nie einen Lehrstuhl. Seit 1997 ermöglicht das Emmy Noether-Programm der DFG hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in einer frühen Karrierephase einen alternativen Weg zur Professur. Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern verschafft es die Gelegenheit, sich frühzeitig für eine Führungsposition in Wissenschaft und Forschung oder für eine Laufbahn in der Lehre zu qualifizieren, indem es ihnen die Leitung einer Nachwuchsforschergruppe überantwortet, verbunden mit einschlägigen Lehrverpflichtungen, ohne Habilitation. 2015 wurden 329 Projekte im Emmy Noether-Programm gefördert.

Quelle:
www.cin.uni-tuebingen.de